Einer der letzten großen Aufdecker-Journalisten ist nicht mehr. Hans Pretterebner, auch kurzzeitig FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Bestseller-Autor des Buches „Der Fall Lucona“, ist am 12. Oktober im Alter von 80 Jahren verstorben.
Der steirische Journalist hatte in den 1980er-Jahren den größten Polit-Skandal der Zweiten Republik aufgedeckt. Weil der gelernte Schweinehirt, Abenteurer und schillernde Unternehmer Udo Proksch – am Höhepunkt seiner Karriere führte er die Wiener Nobel-Innenstadt-Konditorei Demel samt dem roten Parvenü-Treff “Club 45” – durch seine mächtigen Freunde, Außenminister Leopold Gratz und Innenminister Karl Blecha (beide SPÖ), politisch gedeckt wurde, stand Österreich nach Hochkochen des Skandals am Rande einer Staatskrise.
Versicherungsbetrug mit sechsfachem Mord
Das Verbrechen: Der Frachter Lucona war 1976 von Proksch gechartert worden und sank nach einer Sprengstoff-Explosion an Bord 1977 im Indischen Ozean in rund 4.00 Meter Tiefe. Sechs der zwölf Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Geladen hatte das Schiff nur Schrott, versichert worden war von Proksch jedoch eine angebliche “Uran-Aufbereitungsanlage” im Wert von umgerechnet mehr als 15 Millionen Euro. Den ersten Verdacht hegte man bei der Bundesländer-Versicherung, die von Proksch betrogen werden sollte, und die daraufhin Nachforschungen anstellte. Letztlich wurde – womit Proksch nicht gerechnet hatte – tatsächlich ein Tauchroboter an die Untergangsstelle der Lucona gebracht, fand das Wrack und stellte eindeutige Spuren einer Sprengung im Rumpf fest.
Nach Gesichtsoperation am Flughafen Schwechat erkannt
Proksch war 1985 nach kurzer Untersuchungshaft – wohl aufgrund politischer Intervention – wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Nach dem Erscheinen von Pretterebners Buch flüchtete er und wurde eineinhalb Jahre später trotz einer aufwendigen Gesichtsoperation am Flughafen Schwechat erkannt und festgenommen. 1992 wurde Proksch wegen sechsfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, in der er 2001 mit nur 67 Jahren an den Folgen einer Herzoperation verstarb. 14 Jahre Haft lautete das Urteil für seinen Komplizen Hans-Peter Daimler.
Aufdecker-Journalismus hat sich totgelaufen
Im Jahr 2012 gab Pretterebner, der in der Zeit seiner Recherchen handfeste Morddrohungen erhalten hatte und von der Polizei geschützt werden musste, unzensuriert ein ausführliches Interview. Damals sagte der Bestseller-Autor zum Thema „Aufdecker-Journalismus“:
Heute sehe ich in all diesen Magazinen keinen wirklichen Aufdecker-Journalismus mehr, irgendwie hat sich das leider totgelaufen. Die Zeit der investigativ tätigen Journalisten in Österreich scheint weitgehend vorbei zu sein.
Vieles bleibt heute nur an der Oberfläche
Das hänge, so Pretterebner damals, natürlich mit der Medien-Situtation insgesamt zusammen. Kein Journalist nehme sich heutzutage noch die Zeit, sich wirklich seriös mit einem Fall zu beschäftigen. So bliebe vieles an der Oberfläche, und sehr oft würde auch nur skandalisiert, zumeist nur parteipolitisch motiviert und ohne dass es eine echte Substanz dafür gebe. Und das, obwohl es zweifellos auch heute noch genügend echte Skandale gäbe, die es wert wären, sich mit ihnen fundiert auseinanderzusetzen.
Statt unvoreingenommener Recherche gilt nur noch “Haltung”
Doch heute ist “Haltung” oberste Maxime vieler Journalisten, die sich damit natürlich Denk-, Recherche- und Schreib-Verbote in allen “politisch unkorrekten” Themen auferlegen. Entsprechend stark sind die Leser-Verluste zugunsten sogenannter “alternativer Medien”, ein Begriff, der noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich links geprägt war (damals hießen die Grünen auch noch Grün-Alternative), aber heute Synonym für rechte, patriotische Medien ist.
Zeitgeschichtliches Dokument
Das Buch „Der Fall Lucona – Ostspionage, Korruption und Mord im Dunstkreis der Regierungsspitze“ war nach dem Erscheinen im Dezember 1987 innerhalb weniger Wochen zum Bestseller avanciert und verkaufte sich insgesamt mehr als 380.000 Mal. Es lieferte auch den Stoff für den Film „Der Fall Lucona – Geld, Sex und Macht“. Pretterebner gelang mit seinem Werk ein zeitgeschichtliches Dokument und Andenken.
Im Anhang finden Sie das komplette unzensuriert-Interview mit Hans Pretterebner: