Unzensuriert berichtete über ein Neubauprojekt in den Niederlanden, das ganz auf die dort traditionelle Architektur setzte – und Erfolg hatte.
Zeitlos Schönes
Auch anderswo haben Leute mit Geschmack zeitlos Schönes geschaffen. Prominentestes Beispiel: König Karl III von Großbritannien.
Als Prinz Charles war er betrübt darüber, dass Britanniens ästhetische Städte immer mehr der Abrissbirne zum Opfer fielen und Gebäude mit modernistischer Architektur errichtet wurden, die nach wenigen Jahren dem Verfall anheimfallen. Er entwickelte eine Leidenschaft, die er dank seiner Position als Kronprinz auch umsetzen konnte: nachhaltige, lebenswerte Städteplanung statt modernistischer, monotoner Tristesse.
Anbau an die National Gallery als Auftakt
1982 wurden Pläne für einen modernen Anbau an die National Gallery in London veröffentlicht. Prince Charles hielt daraufhin eine bemerkenswerte Rede und bezeichnete das geplante Gebäude als „monströse Eiterbeule im Gesicht eines geliebten und eleganten Freundes“.
Die britischen Architekten und ihre Unterstützer in den Mainstream-Medien waren entsetzt über den spleenigen Prinzen. Doch er erreichte dadurch Diskussionen über Architektur und Ästhetik.
Taten, nicht nur Worten
Der Prinz schrieb ein Buch über die Schönheit der althergebrachten Architektur in Britannien und bemerkte, dass die moderne Architektur von der Bevölkerung nicht wertgeschätzt würde. Um der Theorie auch die Praxis folgen zu lassen, ließ er auf seinem eigenen Grundstück eine neue Kleinstadt entstehen: Poundbury im Südwesten Englands.
Diese Stadt wurde auf dem Reißbrett geplant und beinhaltet wie jede andere Stadt auch ein Zentrum, mehrere Stadtteile und Fußgängerzonen. Alle öffentlichen Gebäude sollten tunlichst zu Fuß erreichbar sein. Parkplätze befinden sich in den Innenhöfen, dadurch wirken die Straßen weniger abweisend, verhältnismäßig niedrige Gebäude, deren „typisch englischen“ Fassaden mit traditionellen Baustoffen ausgestattet sind, bieten Abwechslung und gleichzeitig eine gewisse Einheitlichkeit.
Hochwertige Gebäude von lokalen Handwerkern
Prinz Charles gründete eine eigene Stiftung, die Handwerker unterstützt, denn er war der Meinung, dass das Handwerk zu schönen und qualitativ hochwertigen Gebäuden führe, weg von der industriellen Produktion von Beton und Glas.
Und hochwertige Gebäude, in denen die Besitzer gerne leben und die ihnen gefallen, so die Idee, würden auch instandgehalten und nicht wieder so bald abgerissen wie moderne Häuser. Am nachhaltigsten seien Gebäude, die nicht abgerissen und durch neue ersetzt werden.
Traditionelle britische Architektur
Poundburys Gebäude orientierten sich an traditioneller britischer Architektur, Grünflächen und Plätze lockern die Umgebung auf. Viele Probleme mussten seit dem ersten Spatenstich 1993 gemeistert werden.
Die Kritiker auf Seiten der „modernen“, woken Architekten mokierten sich über die „Spielzeugstadt eines Prinzen“ oder über ein „Kitsch-Disneyland“. Doch letztlich wurde Poundbury zu einem Erfolg, weil alle Häuser in kurzer Zeit Bewohner fanden, die zu entrichtende Pacht sei aufgrund der hohen Nachfrage 30 Prozent höher als anderswo.
Mischung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen
Was macht Poundbury aus? Die Stadt bietet eine gute Mischung: Gebäude für Wohnen, Einkaufen und Arbeiten sind in der ganzen Stadt zu finden. Das unterscheidet Poundbury von modernen Städten der Neuzeit, wo Wohnen, Arbeiten und Einkaufen getrennt sind, was abends zu vereinsamten Innenstädten und zu viel Verkehr führt. Bei rund 6.000 Einwohnern bietet Poundbury 2.600 Arbeitsplätze, ein Drittel der Wohnungen dient dem sozialen Wohnungsbau.
Die Stadt wächst weiter. Seit Charles‘ Krönung zum König ist sein Sohn William als Prinz von Wales Verpächter der Kleinstadt – und erfreut sich höherer Einnahmen als anderswo.