Die freitägige Sitzung des deutschen Bundestags endete mit einem Eklat. Die Linksparteien SPD, Grüne und Linke verließen das Gremium und sorgten so dafür, dass nicht ausreichend Abgeordnete für eine Beschlussfassung anwesend waren. Die Sitzung wurde daraufhin abgebrochen. Der verhinderte Beschluss betraf die erste Lesung für das sogenannte Betreuungsgeld, das nun voraussichtlich nicht mehr vor dem Sommer eingeführt werden kann. Unzensuriert-Chefredakteur Alexander Höferl hat in der Ausgabe 23 des Wochenmagazins Zur Zeit (hier als E-Paper) einen vergleichenden Blick auf die familienpolitischen Debatten in Deutschland und Österreich geworfen:
Deutschlands Familienpolitik nimmt Anleihen an der unseligen DDR. In Österreich verläuft die Diskussion subtiler, doch Eltern werden auch hier systematisch von ihren Kindern entfremdet.
Landesmutter oder Rabenmutter?
Hannelore Kraft ist der neue Fixstern am deutschen Polithimmel. Die SPD-Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen verwandelte das Scheitern ihrer rot-grünen Minderheitsregierung in einen triumphalen Wahlerfolg. Der Blätterwald schmeichelt ihr mit der Bezeichnung als „Landesmutter“ und räumt Kraft Chancen ein, bald schon zur Mutter der Republik aufzusteigen. FDP-Spitzenkandidat Lindner ließ sich im Wahlkampf dazu hinreißen, sie als NRWs „Rabenmutter“ zu bezeichnen. Er wurde dafür laut gescholten, dabei hatte sich Lindner nur auf die Schuldenpolitik der SPD berufen und diesen Vergleich gar nicht in familienpolitischer Hinsicht gezogen, wo er angesichts der Kraft’schen Ideen naheliegend gewesen wäre. Lassen wir Hannelore Kraft also zu Wort kommen, die Ende April ausgerechnet die rest-konservative FAZ als Organ für ihre Ansagen gewählt hat:
Jeder Kita-Platz ist eine gute Prävention. Wir wissen aus einer Untersuchung des Prognos Instituts, dass sich jeder Kita-Platz volkswirtschaftlich schon nach einem Jahr rechnet, weil Mütter dann erwerbstätig sein können, Steuern und Sozialabgaben zahlen, anstatt Transferleistungen zu beziehen. In vielen Fällen möchten gerade Alleinerziehende gerne wieder arbeiten, haben aber keine verlässliche Betreuung. Deshalb stellen wir uns auch so massiv gegen das Betreuungsgeld. Bisher waren wir uns mit der CDU einig, dass Bildung schon in der Kita beginnen muss. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie für Kinder zu zahlen, damit sie fernbleiben. Das ist vollkommen unsinnig. Es würde auch keiner auf die Idee kommen, jemandem einen Bonus zu zahlen, der nicht ins Museum geht.
Linke nutzte fehlende Einigkeit der Koalition
In einem Land, in dem die Schrecken des DDR-Regimes mit seiner verpflichtenden frühkindlichen Indoktrination kaum mehr als zwanzig Jahre zurückliegen, hätte man einen Aufschrei ob dieses offenen Wiederbelebungsversuchs der Nachwuchs-Verstaatlichung erwarten müssen. Doch er blieb aus. Die Befürworter des – im schwarz-gelben Koalitionsübereinkommen festgeschriebenen – Betreuungsgeldes von 150 Euro monatlich geraten immer mehr in die Defensive. Als „Herdprämie“ wird dieser Zuschuss an jene Eltern bezeichnet, die auf die Segnungen staatlicher Kinderkrippen bis zum dritten Geburtstag ihrer Sprösslinge verzichten wollen. CDU-Familienministerin Kristina Schröder kämpft noch für die längst fällige Umsetzung, doch sie muss zunehmend Kritik aus der eigenen Partei abwehren. Der Koalitionspartner FDP, der in gesellschaftspolitischen Fragen längst abgedankt hat, ist keine große Hilfe. Nur die bayrische CSU steht geschlossen hinter dem Projekt, das weniger begüterten Familien zumindest ansatzweise die Freiheit der Wahl zwischen Selbst- und Fremdbetreuung ihrer Kleinstkinder bescheren soll.
Österreich lockt Eltern in die Falle
In Österreich ist mit sozialistischer Zwangsbeglückungsrhetorik nicht viel zu gewinnen, daher frisst sogar die ultra-feministische Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) bisweilen Kreide. Der Leitbegriff der Wahlfreiheit steht außer Streit, wird jedoch mit höchst unterschiedlichen Inhalten befüllt. Noch fordert niemand die verpflichtende Kinderkrippe, doch junge Eltern werden in die finanzielle Falle gelockt. Mit dem einkommensabhängigen Kindergeld wurde der Grundsatz aufgegeben, wonach dem Staat jedes Kind gleich viel wert sein soll. Die vergleichsweise hohe Zahlung soll animieren, nach nur einem Jahr die Rückkehr ins Berufsleben zu wagen. Dafür wird kräftig die Werbetrommel gerührt – allen Erhebungen zum Trotz, die besagen, dass Frauen bis zum Kindergarteneintrittsalter mehrheitlich Vollzeit-Mütter sein möchten. Dass die Saat des bevormundenden Feminismus aufgeht, sichert die ÖVP mit ihrem Wirtschafts- und Familienminister Mitterlehner, der seine Ressortschwerpunkte höchst ungleich gewichtet. Seine Maxime ist der Kapitalismus, der das Angebot an jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräften hoch halten will. Deshalb setzt er auf Sach- statt Geldleistungen – lies: Kinderkrippe statt Kindergeld. Womit wir wieder bei Hannelore Kraft wären, „weil Mütter dann erwerbstätig sein können, Steuern und Sozialabgaben zahlen“ – bis das Sozialsystem am Geburtenmangel zerbricht.