Rajiv Bajaj, neuer Mehrheitseigentümer von KTM aus Indien, erklärte die Industrieproduktion in Europa für „tot“. In einem Interview mit dem Sender CNBC TV18 hielt er auch die Verlagerung der Produktion von KTM für denkbar. In Indien gefertigte Motorräder tragen schon heute erheblich zum Gewinn des Unternehmens bei.
Auslastung unter Damokles-Schwert
KTM-Vorstandschef Gottfried Neumeister widersprach: Die Werke in Mattighofen und Munderfing seien ausgelastet, im August wurden über 10.000 Motorräder hergestellt. Dennoch räumt er ein, dass die Wiederherstellung stabiler Lieferketten weiterhin eine große Herausforderung bleibt.
Branchen-Insider halten es zudem für möglich, dass künftige Modellreihen tatsächlich in Asien entwickelt werden – ohne dass dies zwangsläufig den Abbau von Arbeitsplätzen in Österreich bedeuten müsse.
Minus sieben Prozent bei Industrieproduktion
Der Fall KTM ist symptomatisch für ganz Europa. Vor allem China hat seine industrielle Basis seit Jahren massiv ausgebaut und dominiert inzwischen Schlüsselbereiche wie Batterietechnologien und Photovoltaik. Während die Industrieproduktion in der Volksrepublik seit 2019 um mehr als ein Drittel zulegen konnte, liegen die großen EU-Volkswirtschaften noch immer deutlich unter Vor-Corona-Niveau.
Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien verzeichnen zusammengenommen ein Minus von mehr als sieben Prozent.
Hohe Energiekosten und viel Bürokratie
Für Zulieferer, insbesondere in Österreich, bedeutet das sinkende Nachfrage und zunehmende Planungs-Unsicherheit. Hohe Energiekosten, ausufernde Bürokratie und Abhängigkeiten von der Politik – Stichwort Subventionen – bringen die Unternehmen in Schieflage.
Belastende Handelskonflikte mit den USA
Erschwerend kommt die transatlantische Handelspolitik hinzu. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Zölle auf US-Industriegüter vollständig zu streichen – in der Hoffnung, dass Washington im Gegenzug seine 15-Prozent-Abgaben reduziert. Doch US-Präsident Donald Trump hält an hohen Zöllen fest und hat diese zuletzt auf einzelne europäische Produkte sogar verschärft.
Widersprüchliche Konjunktursignale
Aktuelle Daten der Statistikbehörde Eurostat zeichnen ein düsteres Bild: Während das Bruttoinlandsprodukt der EU im zweiten Quartal leicht um 0,1 Prozent zugelegt hat, zeigt die Industrieproduktion eine rückläufige Tendenz. Im Juni war sie gegenüber dem Vormonat um ein Prozent zurückgegangen, im Jahresvergleich wird noch auf einen kleinen Zuwachs von 0,5 Prozent gehofft. In der Eurozone selbst fielen die Werte noch schwächer aus.
Am Scheideweg
Die europäische Industrie befindet sich an einem Scheideweg: Einerseits kämpfen Unternehmen mit Standortnachteilen, globalem Kostendruck und politischen Belastungen. Andererseits besteht weiterhin das Potenzial, durch gezielte Investitionen, Technologieförderung und eine eigenständige Handelspolitik die industrielle Basis zu sichern.
Ob Europa den Anschluss halten kann, hängt nicht zuletzt von der dringend nötigen Abkehr von der aktuellen Politik ab. Argentinien unter Präsident Javier Milei zeigt, wie es binnen kurzer Zeit gelingen kann, das Ruder herumzureißen und den Wohlstand zurückzubringen.