Und wieder brandet die Diskussion auf, von wem die Politik aus geht: von den gewählten Regierungen oder von nicht gewählten Richtern. Aktuelles Beispiel ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). „Das Urteil übertreffe alles bisher Dagewesene an fragwürdigen Entscheidungen dieses Gerichts. Was wir hier erleben, ist nicht die Durchsetzung von Recht, sondern die Umdeutung von Politik in die Rechtsprechung,“ kritisiert FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann.
Höhere Hürden für sichere Herkunftsstaaten
Der EuGH hat am Freitag vor einer Woche die Voraussetzungen verschärft, unter denen EU-Mitgliedstaaten sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“ festlegen und Migranten zurückschicken dürfen. Demnach darf ein Land nur dann als sicher eingestuft werden, wenn dessen gesamte Bevölkerung dort tatsächlich sicher ist. Ein dehnbarer Begriff.
Zudem müssen die Staaten ihre Einschätzungen mit überprüfbaren Quellen belegen. Anlass für das Urteil war eine Klage zweier Asylsuchender aus Bangladesch gegen Italien. Italien hatte sie nach einer Ablehnung im Rahmen des sogenannten „Albanien-Modells“ nach Albanien gebracht – ein System, das beschleunigte Verfahren außerhalb der EU vorsieht.
Rechtliche Folgen: Mehr Transparenz, weniger Spielraum
Mit dem Urteil wird klargestellt: Eine Einstufung als sicheres Herkunftsland ist künftig nur noch zulässig, wenn auch Minderheiten – etwa homosexuelle Menschen – keinen Verfolgungsgefahren ausgesetzt sind. Das stellt insbesondere Rückführungszentren außerhalb der EU infrage. Das italienische „Albanien-Modell“ liegt aktuell auf Eis – und könnte rechtlich unhaltbar sein, wenn sich die Praxis als eine Form der Inhaftierung ohne rechtliche Grundlage herausstellt.
Reaktionen aus Italien und Österreich
Die italienische Regierung reagierte empört. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sprach von einer unzulässigen Einmischung der Justiz in politische Verantwortungsbereiche.
Darmann sieht in dem Urteil einen „schweren Schlag gegen die Souveränität der Mitgliedsstaaten“ und warnt vor einer „weltfremden Fantasie“, nach der ein ganzes Land für alle Bevölkerungsgruppen sicher sein müsse. Für ihn ist das Urteil ein „Kniefall vor der Asylindustrie“ und eine bewusste Blockade jeder konsequenten Rückführungspolitik. Auch FPÖ-EU-Abgeordnete Petra Steger hält die Anforderungen für unrealistisch:
Irgendwo findet sich immer eine benachteiligte Gruppe.
Rückschlag für Neuausrichtung der Asylpolitik
In Brüssel verweist man auf die bereits beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die ab 12. Juni 2026 in Kraft treten soll. Diese neue Regelung erlaubt es, bestimmte Gruppen oder Landesteile aus der Einschätzung auszunehmen – damit könnten künftig auch Länder mit internen Sicherheitsproblemen als „teilweise sicher“ gelten. EU-Innenkommissar Magnus Brunner hatte schon im April vorgeschlagen, diese Regelung vorzuziehen – ein Vorstoß, der jetzt an Aktualität gewinnt.
Karner zeigt sich gelassen
Im Innenministerium sieht man derzeit keine unmittelbaren Auswirkungen für das nationale Asylsystem. Minister Gerhard Karner (ÖVP) betont, dass man weiterhin an Rückführungen festhalte – insbesondere bei Straftätern und Gefährdern. Österreich sei auch das erste Land, das wieder nach Syrien abschiebe. Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) ergänzt:
Straffällige abzuschieben, muss rechtlich möglich sein.
Auch wenn das Urteil formal Italien betrifft, erwartet man in Wien vorerst keine umfassenden Änderungen.
Freude bei Asylindustrie
Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich sieht im Urteil lediglich die rechtliche Selbstverständlichkeit bestätigt, dass die Einstufung eines Staates als sicher gut begründet sein müsse.
Die NGO Pro Asyl kritisiert indes das italienische Modell grundsätzlich als „gefährliche ‚Aus den Augen, aus dem Sinn‘-Politik“, die Schicksale der Betroffenen ignoriere. Die Schicksale der Europäer, Stichwort Gewaltverbrechen, sind demgegenüber offenbar nicht der Rede werde.