Nur noch bis zum 19. Juli können die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die der WHO noch mehr Kompetenzen geben, ablehnen. Deshalb hat die FPÖ einen dringlichen Antrag im Parlament eingebracht und damit hitzige Diskussionen ausgelöst.
Die FPÖ forderte die Regierung auf, den Änderungen der IGV zu widersprechen, damit die Souveränität Österreichs in Gesundheitsfragen gewahrt bleibt. Der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak stellte klar: Die Kompetenzausweitung für die WHO und deren Generaldirektor ist für die Freiheitlichen inakzeptabel.
Verkürzte Fristen und Einflussnahme durch Geldgeber
Kaniak wies darauf hin, dass die Einspruchsfrist von ursprünglich 18 auf nur noch zehn Monate verkürzt worden sei. Ebenso sei die Frist vom Beschluss bis zum Inkrafttreten neuer Vorschriften von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert worden. 77 Prozent der Einnahmen der WHO würden durch freiwillige Spenden finanziert – davon seien 71 Prozent zweckgebunden. Geldgeber wie Bill Gates könnten somit indirekt Einfluss auf die Ernennung des Generaldirektors nehmen.
Kritik an unkontrollierter Machtfülle
Besonders problematisch sieht Kaniak die neue Machtfülle des Generaldirektors, der ohne unabhängige Kontrolle handeln könne. Über die Ausrufung einer pandemischen Lage – der höchsten Krisenstufe – könne dieser faktisch allein entscheiden. Das hätte direkte Auswirkungen auf die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bevölkerung. Die Definition der pandemischen Notlage sei derart schwammig, dass bereits eine nicht messbare Gefahr einer Verbreitung genüge. Missbrauch sei damit Tür und Tor geöffnet.
Grüner Pass und Reisebeschränkungen
Auch der Grüne Pass solle im Zuge der neuen Regelungen wieder eingeführt werden. Laut Kaniak sei es besonders kritisch, dass es Reisebeschränkungen für Asylanten aus humanitären Gründen nicht gebe, wohl aber für die einheimische Bevölkerung.
Unklare Verbindlichkeit und fragwürdiger Umsetzungsdruck
Kaniak äußerte Zweifel an der behaupteten Unverbindlichkeit der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV): Wenn die IGV nicht verbindlich sind – warum schafft man dann einen Ausschuss für die Umsetzung in den Mitgliedsstaaten? Warum werden die Staaten verpflichtet, nationale Stellen zur Kontrolle der Maßnahmen einzurichten? – alles Fragen, die Kaniak sich stellt. Der angeblich sanfte Druck könne bis hin zu Schiedsverfahren führen. Die FPÖ sei nicht grundsätzlich gegen internationale Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik, lehne jedoch eine massive Ausweitung der WHO-Kompetenzen bei fehlender Kontrolle entschieden ab.
Königsberger-Ludwig: Keine Einschränkung von Souveränität
Staatssekretärin Ulrike Königsberger‑Ludwig (SPÖ), zuständig für Gesundheit im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wollte von der Kritik nichts hören. Gesundheitsvorschriften seien nichts Neues, da Krankheiten und Viren keine Grenzen kennen. Es gehe bei den Beschlüssen um ein gemeinsames Miteinander und darum, Verantwortung als Staatengemeinschaft – insbesondere gegenüber ärmeren Ländern – zu übernehmen. Die neue Definition der Pandemie sei sinnvoll, ebenso wie die Einrichtung eines Ausschusses, der die wirksame Umsetzung der Maßnahmen kontrollieren solle. Einschränkungen der Souveränität oder Grundrechte werde es keine geben. Der WHO-Generalsekretär könne keinesfalls eigenständig Maßnahmen umsetzen oder in nationale Gesetze eingreifen.
Wurm kritisiert Schweigen der Abgeordneten
Der freiheitliche Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm beklagte das mangelnde Interesse der Abgeordneten. Weder im Plenum noch im Ausschuss sei ernsthaft diskutiert worden. Vom „Modus Todesangst und Panik“ sei man nun in den „Modus Totschweigen“ übergegangen. Die psychischen Schäden der Corona-Pandemie seien nachweislich vorhanden, ebenso wie die geschätzten 100 Milliarden Euro an Gesamtkosten. Doch niemand will heute dabei gewesen sein, beklagte Wurm. Nur der zivile Widerstand quer durch alle sozialen Schichten und Altersgruppen habe das Schlimmste verhindert.
Marchetti: „Geister, die es nicht gibt“
ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti bezeichnete das Vorgehen der FPÖ als „falsch und pietätlos“. Die WHO spreche Empfehlungen aus, berate und unterbreite Vorschläge – rechtsverbindlich sei das nicht. „Die von der FPÖ beschworenen Geister gibt es nicht“, so Marchetti. Auch Rudolf Silvan, Gesundheitssprecher der SPÖ und stellvertretender Klubobmann, zeigte kein Verständnis für die Kritik: Die IGV würden helfen, neue Lockdowns und Todesfälle zu verhindern. Artikel 22 der IGV beweise, dass die WHO keinen Einfluss auf nationales Recht habe.
Einigkeit unter Regierungsparteien
Fiona Fiedler, Sprecherin der NEOS für Gesundheit, Pflege und Menschen mit Behinderungen, betonte, kein Land sei eine Insel. Für die NEOS sei klar, dass es eine starke WHO brauche. Ralph Schallmeiner, Abgeordneter der Grünen, behauptete, es gehe nicht um eine Gesundheitsdiktatur. Der Prozess der Novelle sei demokratisch gewesen.
Empfehlungen sind faktisch verbindlich
Marie‑Christine Giuliani‑Sterrer, FPÖ-Abgeordnete und wie Kaniak ebenfalls Antragsstellerin, widersprach: Die Empfehlungen der WHO seien faktisch viel mehr als das – sie seien de facto verbindliche Handlungsanweisungen und Verträge mit klarem Monitoring. Sie habe sich wochenlang mit der Thematik befasst. Während Länder wie Argentinien und die USA nicht mitziehen würden, empfinde sie den Umgang der österreichischen Politik mit dem Thema als erschreckend.
Am Ende der Debatte wurde der Antrag der FPÖ dann wie erwartet abgelehnt – damit steht dem Inkrafttreten der IGV nichts mehr im Wege.