Hanger, U-Ausschuss

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger wurde blass im Gesicht, als mutmaßliche Malversationen seiner Partei plötzlich im Fokus der Befragung standen.

11. April 2024 / 16:36 Uhr

Bumerang für ÖVP bei faktenwidriger Befragung von Kickls Kommunikationschef

Die Befragung eines ehemaligen Mitarbeiters im Kabinett des seinerzeitigen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl wurde heute, Donnerstag, im vom ÖVP angestrengten U-Ausschuss zu einem Bumerang.

Eigentlich wollte die ÖVP mit ihrem U-Ausschuss einen “rot-blauen Machtmissbrauch” nachweisen, stattdessen kam sie bei der Auskunftsperson von Kickls Kommunikationschef selbst in Bedrängnis und in den Verdacht, Machtmissbrauch betrieben zu haben.

Faktenwidrige Behauptungen

Auskunftsperson Alexander H. stellte in seiner Eingangs-Aussage fest, dass das Verlangen der ÖVP zahlreiche falsche, und zwar faktenwidrige Behauptungen enthalte, auf deren Basis nun Fragen an ihn gestellt würden. Als H. dann diese Mängel vorlas, wurde ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger zunehmend blass im Gesicht.

Mit Verlaub, das ist lächerlich”

So wurde in Punkt 5 des Untersuchungsgegenstands des Verlangens ausgeführt, untersuchen zu wollen, ob – Zitat – „durch die COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG), natürliche oder juristische Personen, die die SPÖ oder die FPÖ – etwa durch Spenden – unterstützt haben oder diesen Parteien sonst nahestehen oder nahestanden bzw. verbunden sind oder waren, zwischen 18. Dezember 2017 und 23. November 2023 aus unsachlichen Gründen bevorzugt behandelt wurden“.

Alexander H. antwortete darauf folgendermaßen:

Die erste Absurdität betrifft den Zeitraum, in dem hier möglicherweise jemand bevorzugt wurde. Vom 18. Dezember 2017 bis März 2020 gab es gar keine COFAG. Die zweite Absurdität betrifft den Fokus der Untersuchung. Prüfen zu wollen, ob durch eine Agentur, die mit einer schwarz-grünen Proporz-Geschäftsführung ausgestattet wurde, ausgerechnet Personen und Organisationen im Umfeld zweier Oppositionsparteien bevorzugt wurden, ist – mit Verlaub – lächerlich.

0,66 Prozent des Gesamtbudgets für freie Medien

Die Befragung, die auf faktenwidrigen Behauptungen beruhte, setzte sich dann damit fort, dass die ÖVP offensichtlich einen Profil-Artikel falsch interpretiert hatte, in dem Werbeeinschaltungen aus FPÖ-Ressorts in sogenannten freien Medien aufgelistet worden waren. In der von der ÖVP genannten Summe von 116.000 Euro waren aber nicht nur Einschaltungen aus FPÖ-Ministerien dabei, sondern – und das wurde tunlichst verschwiegen – auch von der Linz AG, vom Ressort des oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters Manfred Haimbuchner und des damaligen Landesrats Elmar Podgorschek. Alexander H. listete die Ausgaben im Jahr 2018 penibel auf – und siehe da: Während es für den Mainstream (Kronen Zeitung, Oe24 oder heute.at) Inserate um mehr als 3,3 Millionen Euro gegeben hatte, blieb für die freien Medien nur noch 21.880 Euro übrig, 0,66 Prozent des Gesamtbudgets.

BVT-Einschätzung von unzensuriert fand gar nicht statt

In der Reihe der falschen Behauptungen, die hier aus Platzgründen nicht alle genannt werden können, stach vor allem auch heraus, dass unzensuriert seinerzeit vom BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) als „extrem fremdenfeindlich und teilweise antisemitisch“ qualifiziert worden sein soll. H. legte ein Protokoll des BVT vor, das diese „Fake News“ der ÖVP widerlegte.

Vielmehr gab es zur Analyse, die das BVT im Jahr 2016 auf Wunsch des Landes Oberösterreich erstellt hat, eine Medienanfrage, deren Antwort im BVT wie folgt protokolliert wurde:

Diese Sätze wurden auch medial bekannt und waren damals Gegenstand von Diskussionen. Eine Analyse oder konkrete Einschätzung des Mediums wurde aber durch das BVT nicht durchgeführt.

Siehe auch Protokoll des BVT, das unzensuriert vorliegt:

Anders ausgedrückt, sagte H. in der Befragung, sei die angebliche Qualifizierung durch das BVT lediglich eine Zusammenfassung von Behauptungen anderer Medien über unzensuriert.at. Diese Mär wird immer wieder erzählt, obwohl das bereits im Juni 2018 (!) von unzensuriert richtiggestellt worden war:

Ein Schüler würde einen Fünfer bekommen

Bei diesem Eigentor, dass sich die ÖVP im Versuch, die Freiheitlichen anzupatzen, geschossen hat, ist es wirklich bedauerlich, dass die Sitzungen des U-Ausschusses nicht öffentlich sind. So haben es die Österreicher versäumt, zuzuschauen, wie schlecht vorbereitet gewisse Nationalratsabgeordnete zu einer Befragung kommen – mit Behauptungen, die falsch und leicht zu entkräften sind. Würde ein Schüler so zu einer Schularbeit kommen, wäre ihm ein “Nicht genügend” wohl sicher.

Kooperationsvertrag mit Firma, bei der Sobotkas Sohn Geschäftsführer ist

Dem nicht genug, versuchte die ÖVP dann auch noch, zwei für sie höchst unangenehme Themen über den Verfahrensrichter aus der Befragung herauszureklamieren, was aber nicht gelang. So bekamen zumindest die Medien davon Kenntnis, dass der Vorgänger von Kickl als Innenminister, Wolfgang Sobotka von der ÖVP, nur drei Tage vor Kickls Angelobung eine Ausschreibung für einen Kommunikations-Rahmenvertrag in Höhe von 800.000 Euro in Gang gesetzt hatte, was Kickl dann eingestellt hat, und dass es für Kommunalnet, wo der Sohn Sobotkas einer der Geschäftsführer ist, einen ansehnlichen Kooperationsvertrag gegeben hat. Aber das hat – nach Einschätzung der ÖVP – sicher nichts mit Machtmissbrauch oder Vetternwirtschaft zu tun.

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