Martin Kocher / Leere Taschen

17 Prozent Arme und Armutsgefährdete in Österreich sind für Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher “nicht weit verbreitet”.

1. Oktober 2023 / 20:19 Uhr

„Abgehoben“: Kochers Wahrnehmung der Sorgen und Nöte der Österreicher

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher war heute, Sonntag, zu Gast in der ORF-Pressestunde. Der von der ÖVP nominierte, aber parteilose Salzburger wurde zu den Themen Teuerung, Lohnverhandlungen, Arbeitsmarkt und letztlich zur Regierungsarbeit Rede und Antwort.

Nehammer-Video als Gesprächsthema

Gesprächsthema war auch das Video von Karl Nehammer (ÖVP) zur Finanzierung des Lebens. Kocher blieb unverbindlich und warb für Verständnis der Aussagen bei der Parteiveranstaltung, wo jedoch „der Eindruck entstehen“ konnte, dass die „Wertschätzung“ für arme Menschen größer sein könnte.

Die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch kritisierte Kochers Aussage, wonach Armut nicht weit verbreitet sei, als „abgehoben, kaltschnäuzig und herzlos“. Denn die 200.000 Menschen, die in Österreich als „in Armut lebend“ gelten, und die 1,3 Millionen „Armutsgefährdeten“ entsprechen 17 Prozent der Bevölkerung. Sie kommentierte:

Mit der Realität, mit den Sorgen und Nöten der Bürger hat weder diese Bundesregierung noch ÖVP-Minister Kocher etwas am Hut.

Mehr Vollzeit-Arbeitsverhältnisse

Angesichts des Fachkräftemangels und zur Sicherung der Existenz will Kocher mehr Anreize schaffen, statt Teilzeit lieber Vollzeit zu arbeiten. Laut Statistik Austria zeichnet sich in Österreich ganz klar ein Trend ab: Immer mehr Erwerbstätige bevorzugen eine Teilzeitbeschäftigung. So ist die Anzahl der Teilzeitstellen von 1.339.300 im Jahr 2021 um rund 100.000 Stellen auf 1.437.100 im Jahr 2022 gestiegen. Kocher könnte sich eine unterschiedlich starke Besteuerung von Teil- und Vollzeit-Arbeitsplätzen vorstellen, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Der Arbeitsminister verteidigte im Rahmen der Pressestunde auch seine Forderung vom Frühjahr, Sozialleistungen von Teilzeit-Beschäftigten zu kürzen, die freiwillig und ohne Notwendigkeit nur Teilzeit arbeiten. Aber bei den Unternehmen, die nur Teilzeit anbieten, will Kocher ansetzen.

Falsche Richtung: 32-Stunden-Woche

Der Forderung von SPÖ-Chef Andreas Babler nach einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erteilte Kocher eine Absage. Denn die Tendenz gehe in die ganz andere Richtung, nämlich Richtung Lohnerhöhung statt Arbeitszeitverkürzung. Vor allem angesichts des Fachkräftemangels sei die Forderung der falsche Weg.

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