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Konsum-Märkte gab es in vielen Ländern, doch das Milliarden-Debakel in Österreich war einzigartig.

1. November 2011 / 18:27 Uhr

Konsum-Pleite: Symbol für rote Wirtschaftskompetenz

Seit Gründung der Sozialdemokratischen Partei 1889 in Hainfeld hatten deren Spitzenfunktionäre das politische Ziel, eine zentrale und machtbeherrschende Position in Österreich zu erlagen. Dieses Ziel verfolgten sie mit allen Mitteln, doch nicht alles war in den mehr als 120 Jahren vo Erfolg gekrönt. Es wurde die Gewerkschaftsorganisation wesentlich mitbegründet, es wurden Parteizeitungen verlegt, mit der Arbeiterbank, der späteren BAWAG, legte man sich sogar ein eigenes Bankinstitut zu. Und im roten Wien der zwanziger und dreißiger Jahre, aber auch nach 1945 organisierte man einen alternativen politischen und gesellschaftlichen Entwurf gegenüber der Bundespolitik und den konservativen Bundesländern.

Dritte Säule der österreichischen Arbeiterbewegung

Neben dem Gewerkschaftsbund und der Partei wurde die Österreichische Konsumgenossenschaft als dritte Säule der Arbeiterbewegung gegründet. Bereits 1856 wurde der erste österreichische Konsumverein von Textilarbeitern in im niederösterreichischen Teesdorf bei Baden aus der Taufe gehoben. Und 1872 entstand der “Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Österreich”. Bereits 1903 kam es, unterstützt von wesentlichen Teilen der Sozialdemokratischen Partei, zur Gründung des Zentralverbandes österreichischer Konsumgenossenschaften. Damit begann die in späteren Jahren unheilvolle Symbiose zwischen SPÖ und Konsum, die nur in den Jahren 1934 bis 1945 unterbrochen wurde.

SPÖ-Spitzenfunktionäre als Konsummanager

Die Hegemonie der SPÖ und der sozialdemokratischen Gewerkschafter führte auch dazu, dass maßgebliche Spitzenfunktionäre der SPÖ Macht und Einfluss in der roten Handelsgenossenschaft hatten. Die zu Spitzenzeiten mehr als 700.000 Genossenschafter des Konsums gehörten in der ganz überwiegenden Mehrzahl gleichzeitig der SPÖ und der Gewerkschaft an. Gewerkschaft und Konsum waren auch über viele Jahre hinweg gemeinsam Aktionäre der Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG). Dies bildete sich auch in Management und Aufsichtsrat ab. Der Onkel des derzeitigen Bundespräsidenten Heinz Fischer, Otto Sagmeister, von 1947 bis 1949 SPÖ-Minister für Volksernährung, war 1949 bis 1972 Generaldirektor des Konsum Österreich. Andreas Korp, Direktor der Konsumgroßeinkaufsgenossenschaft GÖC 1949 bis 1963, war wiederum SPÖ-Staatssekretär für Ernährungs- und Preisfragen in den Jahren 1952/1953. ÖGB- und Nationalratspräsident Anton Benya war viele Jahre gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Konsum. Nach 1945 erhielt der Konsum bei der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse der Nationalbank auch einen Anteil an diesem Währungsinstitut.

Roter Größenwahn und wirtschaftliche Unvernunft

Der Konsum expandierte vor allem nach 1945 sehr stark. Zu den Konsumfilialen, die in der Bundeshauptstadt Wien fast in jedem neuen Gemeindebau errichtet wurden, kamen Drogerien, Bäckereien und Fleischfabriken, später auch die Traditionskaufhäuser Gerngroß und Steffl. Doch die erwirtschafteten Margen gingen immer weiter zurück. Ab Mitte der achtziger Jahre schrillten die Alarmglocken in der roten Genossenschaft. Bis ins Jahr 1989 steigerte sich der Verlust des Konsums bereits auf 1,3 Milliarden Schilling. Nur durch Bilanztricks und Sale-and-lease-back-Verfahren konnte die dramatische Situation verschleiert werden. Eine Kooperation mit der Schweizer Migros scheiterte, damit war das Schicksal des Konsum besiegelt.

Insolvenz und Zerschlagung im Jahre 1995

Anfang 1995 spitzte sich die Lage so weit zu, dass der Konsum im Jänner veranlasst war, seinen 30-Prozent-Anteil an der BAWAG an ein Bankenkonsortium zu verpfänden. Anfang März war der Konsum zahlungsunfähig. Mitte März mussten die BAWAG-Anteile an die Bayrische Landesbank um 4,3 Milliarden Schilling veräußert werden. Wenig später verfolgte der Verkauf der Anteile an der Österreichischen Nationalbank an die staatliche PSK um 200 Millionen Schilling. Insgesamt 630 Filialen des bisherigen Konsumnetzes gingen an die Konkurrenten Spar, Billa, Adeg, LÖWA und Meinl. Die Gerngross-Gruppe wurde durch den Palmers-Konzern übernommen, die Brotfabrik Ährenstolz von Ankerbrot. 60 Coop-Läden und Inform-Parfümerien übernahm ebenfalls Billa. Schlußendlich stand eine Insolvenzsumme im Ausgleichsverfahren von 26 Milliarden Schilling fest, von der hunderttausende Genossenschafter und mehr als 17.000 Mitarbeiter betroffen waren.

Der letzte Generaldirektor wird ein Fall für den Staatsanwalt

Für den letzten Konsum-Generaldirektor Hermann Gerharter hatte die Pleite veritable strafrechtliche Folgen, er wurde wegen fahrlässiger Krida zu einer bedingten Haftstrafe und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Da er einen Teil seines Privatvermögens verschleiert und durch Übertragung im Familienkreis der Verwertung entzogen hatte, wurde er in Folge zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt. Dem folgte eine weitere Verurteilung im BAWAG-Verfahren, wo er sich für eine Spende des ehemaligen BAWAG-Chefs Elsner im Ausmaß von 600.000 Euro verantworten musste. Ins Gefängnis kam er dennoch nicht. Er war einer der Ersten, die von der elektronischen Fußfessel profitierten, mit der er ab November 2010 – so lange zogen sich die Verfahren und der Haftantritt hin – einige Monate verbrachte.

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