Ist der KPÖ-Erfolg von Graz mehr, als nur ein lokales Phänomen? Spaltet sich die Linke in Österreich auf? Und besteht Platz – wie in Deutschland – für eine radikale Linkspartei in der Alpenrepublik? Bernhard Löhri und Friedrich-Wilhelm Moewe gehen in der aktuellen Ausgabe des Wochenmagazins Zur Zeit diesen Fragen nach.
Ein genauerer Blick in das Ergebnis der Gemeinderatswahl in Graz vom 25. November 2012 zeigt eine zersplitterte Linke und für die SPÖ den alarmierenden Befund, dass neben den mageren 15,3 Prozent für die Sozialdemokratie 32 Prozent der Grazer links von der SPÖ entweder KPÖ oder Grün gewählt haben. Nun kann man einwenden, dass die steirische Landeshauptstadt immer schon ein politisches Biotop der besonderen Art war. Die zweitgrößte Stadt Österreichs mit einem traditionellen Universitätsquartier beheimatet traditionell intellektuelle Avantgarde – in diesem Falle leider links der Mitte –, die demokratiepolitisch durchaus experimentierfreudig erscheint und Bereitschaft zu politischer Mobilität zeigt. Das ist unter anderem daran zu erkennen, dass die „Mur-Metropole“ in den letzten Jahrzehnten durchaus recht abwechslungsreich regiert wurde. So gab es in den letzten Jahrzehnten Grazer Bürgermeister nicht nur aus dem christlich-sozialen und sozialdemokratischen Lager, sondern auch aus dem freiheitlichen.
Pragmatische Service-Kultur
Die Renaissance der Kommunistischen Partei im Land Steiermark und auch in Graz ist dabei auch nichts Neues und ihr Erfolg immer vom gleichen Muster getragen. Es ist kein steirisches Spezifikum eines kommunistischen Retro-Programmes zur Vorbereitung einer neuen Oktober-Revolution, es sind vielmehr das Auftreten starker Persönlichkeiten, welche das Modell der Service-Partei reaktivieren und dem Polit-Sprech konkrete Taten folgen lassen. Es ist eine pragmatische Service-Kultur des Helfens, welche eine zum Drüberfahren neigende politische Elite samt der, von ihr kontrollierten abgehobener Verwaltung als Nische geradezu herausfordert. Fleiß und konkretes Helfen statt abstrakter Wortspenden, das wirkt überhaupt bei Menschen, welche Opfer einer ungleichen Risiko-Verteilung in der Gesellschaft werden.
Das Geschäftsmodell für die KPÖ scheint klar zu sei: Mit Fleiß und Konsequenz und dem Aufbau politische talentierter Persönlichkeiten Systemschwächen organisierter Politik durch persönliches Engagement abzumindern und damit im Wählermarkt attraktiv zu erscheinen. Die politischen Mitbewerber sind aufgefordert den Fingerzeig des Grazer Wählers zu verstehen. Es muss den anderen Parteien zu denken geben, wenn die Art und Weise der gebotenen Politik einer KPÖ jeden 5. Wähler zutreibt. Besonders die SPÖ, bemüht eine linke Volkspartei zu sein, steht an der Wegkreuzung zwischen einer Politik für die Menschen oder dem „Gut-Freund-Sein“ mit Medien-Oligarchen, EU-Bonzen und entrücktem Funktionärswesen, welche die Not der Menschen als einträgliches Geschäft für sich selbst sehen.
Spekulation über bundesweiten Erfolg
Aus dieser Analyse der Grazer Wahl heraus stellt sich aber die berechtigte Frage, inwieweit dieses Grazer Modell der KPÖ auch auf andere Länder, Städte oder gar den Bund übertragbar ist. Auch unmittelbar nach den beiden großen Erfolgen von Ernest Kaltenegger in der Stadt Graz und im Land Steiermark vor fast zehn Jahren überschlug sich die mediale Öffentlichkeit ganz und gar nicht in Empörung über eine kommunistische Renaissance, sondern in Spekulation darüber, ob es die KPÖ auch schaffen könnte, nach sechzig Jahren wieder in den österreichischen Nationalrat einzuziehen. Auch damals gab es prompt angebliche Wahlprognosen, die der KPÖ einen solchen Einzug sicher zuschrieben. Wie man allerdings weiß, nur heiße Luft.
Und auch heute darf man wieder einmal spekulieren, ob denn für eine KPÖ dank Protestwählern und echten Gesinnungstätern die Chance bekommen könnte, im kommenden Jahr bei der Nationalratswahl ins Parlament einzuziehen.
Denn auch dieser Tage darf der geneigte Leser dem Boulevard entnehmen, könnte eine kommunistische Partei mit über vier Prozent der Wählerstimmen ein solches Kunststück vollbringen. Nie wären demzufolge die Chancen für einen Einzug der KPÖ besser gewesen – schreibt wohl der eine oder andere verkappte Kommunist in sein rosarotes Blättchen mit neidvollem Blick nach Deutschland, wo dank linkem Gesinnungsterror und übertrieben geheuchelter political correctness die Links-Partei als Nachfolgetruppe der totalitären SED im deutschen Bundestag sitzen darf.
Protestwählerschaft bundesweit bereits kanalisiert
In Österreich gehen die Uhren zum Glück aber anders. Wenn auch die beiden Systemparteien SPÖ und ÖVP alle möglichen Steilvorlagen für eine solche Protestwählerschaft bieten, so dieses Spektrum dank der Freiheitlichen bereits abgedeckt – und das glücklicherweise abseits von faschistoiden oder totalitären Ideologien.
Denn bei aller Verniedlichung des Grazer KPÖ-Erfolgs in Richtung „Mieterschutzpartei“, Frau Kahr, die rote Wohnbaustadträtin, sagt von sich selbst, sie sei bekennende Marxistin. Wohin diese Ideologie die Menschheit im zwanzigsten Jahrhundert geführt hat, mag vielleicht bei einseitig historisch gebildeten Menschen vergessen sein, bleibt aber dennoch Faktum: Der Kommunismus hat im vergangenen Jahrhundert mit die größten Verbrechen an der Menschheit verübt.
Dass dieser Umstand seitens der medialen Öffentlichkeit, die vornämlich links dominiert ist, eher klein geschrieben bis gar nicht erwähnt wird, ist klar. Dass aber auch die ÖVP-Proponenten nichts dergleichen tun, ist wohl als „bürgerliche Feigheit“ zu bezeichnen.
Erfolg für mörderische Ideologie
Die große Angst vor einer kommunistischen Renaissance in der Alpenrepublik ist derzeit aber auf jeden Fall übertrieben – wie schon erwähnt, werden Protestwähler in Österreich anders kanalisiert. Das Kind aber beim Namen zu nennen, ist dennoch die Pflicht eines jeden aufrichtigen Demokraten. Ein Wahlerfolg der Kommunisten ist und bleibt ein Erfolg für eine mörderische Ideologie, die längst in die Schubladen der Geschichte verbannt gehört – Mieterrechtsschutz hin, oder her.
Schwerpunkte der aktuellen Zur Zeit
Zum Schwerpunkt Linkspartei findet sich in der aktuellen Ausgabe der Zur Zeit außerdem ein Gastkommentar mit dem Historiker Lothar Höbelt und ein Interview mit Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer Weitere Themen:
- 1.500 Tage Präsident Martin Graf
- Deutsche als „Parasiten“ – Polnische Rechtspartei hetzt gegen verbliebene deutsche Minderheit in Schlesien
- Die Quadratur des Kreises – Der „Arabische Frühling“ und seine fatalen Folgen für Israel
- Wie deutsch ist Amerika? – Was die USA ihren Deutschen verdanken
Die letztwöchige Ausgabe kann hier als E-Paper gelesen werden.