Die Präsidentschaftswahlen in Chile, zu der rund 15 Millionen Bürger aufgerufen sind, stehen im Zeichen eines „allgemeinen Unbehagens“, wie es die Bischöfe Chiles in einer Erklärung zusammenfassten.
Sicherheit dominiert den Wahlkampf
„Angst vor Unsicherheit und Gewalt, Ungewissheit über die Zukunft und Misstrauen gegenüber den Institutionen“, prägen das Land, in dem am heutigen Sonntag gewählt wird.
Netzwerke organisierter Kriminalität sind in den vergangenen Jahren eingesickert, der Drogenhandel wächst, und viele Bürger fühlen sich nicht mehr ausreichend geschützt. Beim Spaziergang durch Santiago wird Touristen das Handy aus der Hand gerissen, nahezu jedes Geschäft beschäftigt Sicherheitsleute in Schutzwesten, und schwer bewaffnete Polizei ist allgegenwärtig.
Vier Kandidaten, zwei politische Welten
Auf der linken Seite tritt Jeannette Jara an, ehemalige Arbeitsministerin, kommunistisches Parteimitglied, aber mit sozialdemokratischem Profil. Sie verspricht soziale Reformen, will jedoch ebenso härter gegen illegale Einwanderung vorgehen.
Ihr gegenüber stehen drei Kandidaten von rechts: Evelyn Matthei, Johannes Kaiser und José Antonio Kast.
3 gegen 1
Kast sympathisiert offen mit General Augusto Pinochet (1973-1990), dessen Militärdiktatur in Chile eher weniger negativ gesehen wird als in Europa. Immerhin hatte er die Wirtschaft stabilisiert, die Inflation gesenkt, die Kriminalität verringert und den friedlichen Übergang in wieder demokratische Strukturen eingeleitet. Gegen die Armutseinwanderung aus Bolivien fordert der Deutschstämmige einen besseren Grenzschutz. Ihm werden die höchsten Chancen auf rechter Seite eingeräumt.
Dort wirbt auch der ebenfalls deutschstämmige Kaiser. Er verweist vor allem auf die Reformen im Nachbarland Argentinien. Die dortigen Erfolge, wonach binnen eineinhalb Jahren der Wohlstand gestiegen ist, die Inflation gebrochen und Zuversicht gestärkt wurde, lassen vor allem die linken ewig unerfüllten Versprechungen blass aussehen.
Matthei versucht sich als gemäßigte Konservative, hat mit lauen Antworten auf die Probleme der Zeit in einem Klima der Verunsicherung wenig Chancen auf Erfolg.
Abkehr von den linken Verheißungen
Nicht nur die Totalabkehr von linker Politik und den unmittelbaren Erfolgen im Nachbarland, auch die Probleme der gegenwärtigen Mitte-Links-Regierung lasten schwer auf den Schultern der linken Kandidatin Jara.
Viele der Hoffnungen, die Präsident Gabriel Boric 2021 in großen Teilen der Bevölkerung wecken konnte, erfüllten sich nicht. Wirtschaftliche Stagnation, zunehmende Gewalt, gescheiterte Reformen und Korruptionsvorwürfe beschädigten das linke Lager nachhaltig.
Deutliche Absage an linke Gesellschaftspolitik
Schon 2022 zeigten sich die Chilenen offen für eine Abkehr davon: Bei einem Referendum lehnten rund 62 Prozent den von Boric unterstützten Entwurf ab.
Der angestrebten starken Betonung von Klima, Feminismus, Multikulti und weitreichenden gesellschaftspolitischen Veränderungen, wie der Einführung einer verpflichtenden Frauenquote und die Aufnahme eines staatlich garantierten Rechts auf Abtreibung, wurde eine Absage erteilt.
Strategischer Vorteil auf linker Seite
Dennoch hat Jara die Chance, als Siegerin der Wahl hervorzugehen. Denn drei Kandidaten auf rechter Seite stärken ihre Ausgangsposition bei der Wahl.

