Noch vor wenigen Wochen klang es, als stünde Javier Milei vor dem politischen Aus. Alle Mainstream-Medien orakelten bereits über das Ende seines „libertären Experiments“, der ORF titelte gar: „Mileis Bewegung in Argentinien am Wanken“. Prognosen stellten massive Verluste in Aussicht, die Linke wähnte sich im Aufwind.
Wähler geben Milei Rückenwind
Die Zwischenwahlen vom 26. Oktober haben nun das Gegenteil bewiesen: Die Argentinier wollen den Reformkurs – und zwar deutlicher, als viele erwartet hatten.
Bei den Zwischenwahlen errang Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) rund 41 Prozent der Stimmen und lag damit etwa neun Prozentpunkte vor der linken Oppositionsallianz „Fuerza Patria“. Damit nicht genug: Den Libertären gelang es, in zahlreichen Wahlkreisen die Machtverhältnisse umzudrehen. Sogar die bisherige Hochburg der Peronisten, die bevölkerungsreichste Provinz Buenos Aires, ging diesmal knapp an Milei.
Koalition mit Verbündeten
Der viel beschworene „Stimmungstest“ fiel zu seinen Gunsten aus. Mit dem Wahlergebnis verschoben sich die Kräfteverhältnisse im Parlament spürbar. LLA wird künftig stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus sein, gewann 64 der 127 neu vergebenen Sitze und ist auch im Senat deutlich präsenter.
Milei sprach nach dem Wahlsieg vom „reformistischsten Kongress in der Geschichte Argentiniens“. Zusammen mit der verbündeten PRO-Partei verfügt er zwar noch nicht allein über eine absolute Mehrheit, doch mit Unterstützung der UCR (Unión Cívica Radical), der eher linken, ältesten noch existierenden Partei in Argentinien, und kleinerer Parteien hat er stabile Mehrheiten für zentrale Projekte.
Milei startet durch
Bei einem Treffen mit 20 Provinzgouverneuren erklärte der Präsident, es gebe für Reformpaket und Haushaltsplan bereits „volle Übereinstimmung“ – selbst peronistische Gouverneure wie Osvaldo Jaldo (Tucumán) räumen ein, dass eine Modernisierung der Arbeitsgesetze unvermeidlich sei.
Gestärkt durch das Votum der Wähler setzt Milei nun auf die zweite Welle seiner Reformagenda. Im Zentrum stehen zunächst Arbeits- und Steuerrecht.
Mehr Flexibilität für Arbeitgeber
Urlaubszeiten sollen flexibler über das Jahr verteilt, Teile des Gehalts sollen in Sachleistungen (z. B. Essensgutscheine) ausgezahlt werden können, „dynamische Löhne“ sollen sich stärker an Produktivität und Unternehmenserfolg orientieren und so von der Inflation entkoppelt werden, Tarifverhandlungen sollen von Branchen- auf Betriebsebene verlagert werden.
Parallel plant Milei eine Steuerreform: Rund 20 Steuern sollen gesenkt oder gestrichen werden, die Bemessungsgrundlage verbreitert werden, sodass Steuerhinterziehung weniger attraktiv ist, kleine und mittlere Unternehmen sollen spürbare Entlastungen erhalten, um Beschäftigung und Investitionen anzukurbeln. Die Botschaft: weniger Umverteilung, mehr Anreize für Leistung und Investition.
Linke: Laut auf der Straße, schwach an der Urne
Begleitet wird der Reformkurs von scharfer Kritik der linken Opposition und der mächtigen Gewerkschaftszentrale CGT. Deren Chef Héctor Daer droht offen mit einer Eskalationsstrategie: zuerst politischer Widerstand, dann der Gang vor Gericht, „und, wenn nötig, Streiks und Mobilisierungen“.
Auch international werden diese Proteste groß inszeniert. Ein vielzitierter Bericht – etwa im Standard – über Demonstrationen in Feuerland zeichnet das Bild eines Landes am Rand des sozialen Kollapses. Doch der Blick auf das Wahlergebnis zeigt: Diese Störaktionen sind keine Massenbewegung gegen den Reformkurs. In der Wahlkabine haben die Argentinier anders entschieden.
Schuss ins Knie
Der Protestbericht aus Feuerland im Standard liefert – mutmaßlich ungewollt – auch ein Lehrstück darüber, warum Mileis Kurs den Rückhalt in der Bevölkerung hat: Feuerland lebt seit Jahren von einem Sonderstatus mit Steuererleichterungen, Zöllen und Subventionen der Wirtschaft. Genau hier setzt Mileis Reformlogik an: Betriebe, die nur überleben, weil sie mit Steuergeld und Zöllen künstlich am Leben gehalten werden, belasten die Bürger doppelt – als Steuerzahler und als Konsumenten, die überteuerte Produkte kaufen müssen.
Die im Standard beschriebenen Proteste sind damit weniger der Beweis für das Scheitern der Reformen als vielmehr ein Symptom dafür, wie stark Teile der argentinischen Wirtschaft von staatlicher Bevormundung und Subventionsabhängigkeit geprägt waren.
Wähler haben entschieden: Freiheit statt Klientelpolitik
Die Zwischenwahlen vom 26. Oktober markieren deshalb mehr als nur eine Zwischenbilanz. Sie sind ein Votum darüber, ob Argentinien dorthin zurückkehren soll, woher es kam – in einen hochverschuldeten, staatsgetriebenen Klientelstaat – oder ob der schmerzhafte, aber wachstumsorientierte Weg weiter beschritten wird. Die Antwort der Wähler fiel klar aus.
