„Von wegen bis zu zehn Jahre Haft, passieren tut ganz genau gar nichts, das kennt man doch“, schrieb ein Kommentarschreiber unter dem Unzensuriert-Artikel von heute, Dienstag, über den Prozess gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger wegen des Verdachts auf Missbrauch der Amtsgewalt. Er sollte (fast) recht behalten.
Diversion “gerade noch in Betracht”
„Herr Wöginger! Die 44.000 Euro fürs Weißwaschen zahlen aber eh die Schwarzen aus der Systemkassa?“, fragte Friedrich R. auf Facebook, nachdem wenige Stunden später das Schöffengericht am Landesgericht Linz eine Diversion „gerade noch in Betracht“ zog und Geldbußen gegen Wöginger und weitere zwei Mitangeklagten vorschlug.
44.000 Euro Geldbuße für Wöginger
Dass die Angeklagten das überraschende Diversions-Angebot mit Handkuss angenommen haben, war klar. Wenn Wöginger binnen zwei Wochen 44.000 Euro leistet, der Erstangeklagte 17.000 Euro und der Zweitangeklagte 22.000 Euro, und von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kein Einspruch erhoben wird, ist der Vorwurf des Amtsmissbrauchs vom Tisch.
Keine Haft, nicht einmal eine Vorstrafe
Wöginger muss dann nicht ins Gefängnis (ihm drohten bis zu zehn Jahre), er und seine Mitangeklagten sind nicht vorbestraft, und das Verfahren wird rechtskräftig eingestellt. Mit einem Einspruch der WKStA ist kaum zu rechnen, schließlich ist die Staatsanwaltschaft weisungs- und berichtspflichtig. Mit einem Wort: Die WKStA ist der Justizministerin Anna Sporrer unterstellt, die dem Koalitionspartner SPÖ in der Dreier-Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos angehört.
Vorwurf des “Postenschachers”
Dem ÖVP-Klubobmann war von der WKStA „Postenschacher“ vorgeworfen worden. Er soll beim ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, für einen Parteifreund interveniert und dafür gesorgt haben, dass dieser Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding wurde. Eine besser qualifizierte Mitbewerberin kam nicht zum Zug.
“Viel belastendes Beweismaterial”
Interessant: Die Oberstaatsanwälte der WKStA trugen in ihrer Anklage vor, dass die Vorwürfe gegen die Angeklagten – für sie gilt die Unschuldsvermutung – mit Postenschacher umschrieben werden könne. Das sei ein „verbreitetes Phänomen“, aber alles andere als harmlos, betonten sie zur Einleitung. Anders als in ähnlichen Fällen gebe es in diesem aber „viel belastendes Beweismaterial“.
Gericht statuierte kein Exempel
Mit der nun vorgeschlagenen Bußgeldzahlung hat es das Gericht verabsäumt, gegen dieses „verbreitete Phänomen“ des Postenschachers ein Exempel zu statuieren und für mehr Vertrauen der Bürger in die Justiz zu sorgen.