Einerseits zeigen die jüngsten Daten des nationalen Statistikamts INDEC einen historischen Erfolg: Die Armutsrate sank in Argentinien in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres auf nur noch 31,6 Prozent – der niedrigste Stand seit 2018. Noch zu Beginn der Amtszeit von Präsident Javier Milei im Jahr 2023 war sie auf fast 53 Prozent hochgeschnellt. Nach Jahren der linken Misswirtschaft und der daraus folgenden Rezession und Inflation von zeitweise fast 300 Prozent gilt diese Entwicklung als Beweis dafür, dass der radikale Reformkurs Früchte trägt.
Politische Rückschläge überschatten wirtschaftliche Erfolge
Doch just in dieser Phase gerät Milei politisch ins Straucheln. Der Kongress, in dem die linken Parteien immer noch die Mehrheit haben, überstimmte erstmals mehrfach Vetos des Präsidenten, weshalb ein Gesetz für höhere Sozialausgaben für Behinderte nun wirksam wird.
Dieser symbolische Sieg der Opposition markiert einen Wendepunkt: Zum ersten Mal konnte Milei seine Linie der strikten Haushaltsdisziplin nicht mehr durchsetzen.
Schlappe bei Regionalwahl
Noch schwerer wog die Niederlage Anfang September bei den Regionalwahlen in der Provinz Buenos Aires, wo rund 40 Prozent der Wähler Argentiniens leben und ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet wird. In der Hochburg der linken Peronisten hatte Milei die Stichwahl zur Präsidentschaft 2023 noch gewonnen.
Jetzt lag das Ergebnis seiner Partei auch unterhalb jenes vom damaligen ersten Wahldurchgang: Mileis Bündnis La Libertad Avanza blieb mit knapp 34 Prozent weit hinter der peronistischen Fuerza Patria von Gouverneur Axel Kicillof zurück, der 47 Prozent erreichte. Ein Rückschlag und kein gutes Stimmungsbarometer vor den Kongresswahlen Ende Oktober.
Korruptionsaffären und Vertrauenskrise
Die politische Schwäche wird durch Skandale verstärkt. Im Zentrum steht Mileis Schwester Karina, Generalsekretärin der Präsidentschaft. Ihr werden Verwicklungen in den sogenannten „$LIBRA“-Kryptoskandal und mögliche Schmiergeldzahlungen nachgesagt. Diese Vorwürfe haben nicht nur den Wahlkampf überschattet, sondern auch das Vertrauen an den Finanzmärkten erschüttert.
Der Peso stürzte nach der Regionalwahl ab, der Aktienindex MERVAL verlor binnen eines Tages 14 Prozent. Die Zentralbank musste massiv Dollarreserven verkaufen, um den Kurs zu stabilisieren – ein Kurswechsel, der Mileis Strategie des Reservezusammenbaus konterkariert. Unterstützung kommt unterdessen aus Washington: Die US-Regierung stellte finanzielle Hilfen in Aussicht, um Argentinien in der Währungskrise zu stabilisieren.
Vom strikten Sparkurs zur sozialpolitischen Kehrtwende
Die Nervosität im Regierungslager ist spürbar. Überraschend kündigte Milei höhere Ausgaben für Bildung, Renten und soziale Programme an – ein Schritt, der seinem bisherigen Sparkurs widerspricht. Begründet wurde dies mit der Einsicht, dass „viele Argentinier die Verbesserungen in ihrem Alltag noch nicht spüren“. Kritiker sprechen von Wahlgeschenken im Vorfeld der Zwischenwahlen.
Reformen bleiben tiefgreifend
Unbestritten ist jedoch, dass Mileis Reformen Wirkung zeigen. Seit seinem Amtsantritt wurden über 50.000 Staatsbedienstete entlassen, Ministerien halbiert und zahlreiche Subventionen gestrichen. Viele Staatsbetriebe konnten ihre Verluste eindämmen, der Staatshaushalt weist erstmals seit 14 Jahren einen Überschuss aus. Damit gelang es, die Inflation massiv zu drücken und die Armutszahlen zu senken.
Schicksalswahl im Oktober
Ob der wirtschaftsfreiheitliche Reformkurs fortgesetzt werden kann, entscheidet sich am 26. Oktober. Zwar sind die Umfragewerte für Mileis Partei nach wie vor hoch, haben aber einen Dämpfer erlitten.
Gelingt es La Libertad Avanza, ihre Position im Kongress zu stärken, könnte das Reformprogramm Fahrt aufnehmen. Bleibt die Opposition stark, droht Stillstand – und möglicherweise das Ende des „libertären Experiments“. Mileis Zukunft hängt nun entscheidend von den kommenden Wochen ab.