In Saal 32 des Bundesverwaltungsgerichts wurde der komplexe Fall verhandelt, ein Urteil steht noch aus.

12. August 2025 / 07:26 Uhr

Vorwurf der Posten-Politik: Ex-Kabinettschef Gehr klagt Außenministerium

Walter Gehr, ehemaliger Kabinettschef von Außenministerin Karin Kneissl, wurde bei der Besetzung des Leitungspostens des Kulturforums Paris (KF Paris) trotz größerer Qualifikation übergangen. Gehr klagte daraufhin das Ministerium vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Schadensersatz – gestern, Montag, fand der dritte und letzte Verhandlungstag statt. Unzensuriert war als Prozessbeobachter dabei.

Zu dem eindeutigen Schluss, dass bei Gehr eine Diskrimierung aus weltanschaulichen und aus Altersgründen vorlag, kam die Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK). Über die Personalie hatte eine Begutachtungskommission entschieden, die mit ÖVP-nahen Gewerkschaftern besetzt war.

Zuschlag für jüngere Bewerberin

Mit der Leitung des KF Paris betraut wurde am Ende die 15 Jahre jüngere Julia Thallinger, Ehefrau des stellvertretenden österreichischen Botschafters in Paris. Sie habe sich um mehrere Auslandsposten beworben und Paris als erste Präferenz genannt, erklärte Thallinger, die per Video (angeblich aus Paris) zugeschaltet war. Ihre “Qualifikationen” überraschten dann allerdings: Geeignet fühle sie sich wegen ihrer französischen Mutter, häufiger Aufenthalte in Frankreich in ihrer Kindheit und guter Kenntnis von Land, Mentalität und Kultur. Außerdem habe sie lange Zeit Musikinstrumente gelernt und gespielt.

Vor ihrer Ernennung zur Leiterin des KF Paris war Thallinger Referatsleiterin in der Personalabteilung des Ministeriums und verantwortlich für gerade einmal drei bis vier Personen. Zudem habe sie vier Jahre Auslandserfahrung in der österreichischen Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf gesammelt. Ihre „Digitalisierungsfähigkeiten“ seien ebenfalls relevant gewesen, insbesondere die Umsetzung einer globalen Kampagne zu einem „Business Outreach“.

Distanz zu Parteien betont

Thallinger betonte ihre angebliche Neutralität: Bei ihrem Eintritt in den Ministerialdienst habe sie bewusst Abstand zu allen politischen Parteien gehalten. Mitglied der ÖVP oder einer anderen Partei sei sie nie gewesen, ebenso wenig in der ÖVP-nahen Gewerkschaft FCG (Freie Christliche Gewerkschafter). Die Behauptung der Bundes-Gleichbehandlungskommission, ÖVP oder FCG nahezustehen, wies sie zurück.

Bewerbungspraxis im Ministerium

Ihre Bewerbung habe vor allem durch das beigefügte Konzept für das Kulturforum überzeugt. Dass ihr Ehemann stellvertretender Botschafter in Paris ist, sei kein Sonderfall, so Thallinger – es gebe mehrere Ehepaare im diplomatischen Dienst. Auf die Nachfrage von Gehrs Anwalt Christoph Völk, ob es sogenannte „Ehepartner-Posten“ gebe, wich sie aus und verwies auf Personalchef und Sektionsleitung. Sie habe lediglich erfahren, dass sowohl die Leitung des Kulturforums als auch der geschäftsführende Botschafter besonders kompetitive Posten seien, die für Ehepaare eher in Frage kämen, da die Dienststellen wenig Personal hätten. Thallinger und ihr Mann hatten sich gemeinsam beworben.

Im Ministerium sei es üblich, sich vor einer Bewerbung bei Personalabteilung und Sektionsleitung zu erkundigen, welche Posten frei würden, und in Gesprächen die eigene Eignung darzulegen. Auch Thallinger habe dies so gehandhabt.

Keine Begründung der Absage

Denise Quistorp, Direktorin des Kulturforums in Prag und frühere Direktorin des Kulturforums in Berlin, hatte sich ebenfalls für die Stelle in Paris beworben. Eine Begründung für ihre Ablehnung habe sie nie erhalten. Es habe jedoch „Gerede“ von „familiären Unterstützungsgründen“ gegeben, so Quistorp. In Richtung eines Ehepaares würde es wohl gehen. Ein Vertreter der “Gruppe Ballhausplatz”, einer Interessensvertretung im Ministerium, habe ihr davon erzählt. Richter Gregor Ernstbrunner bohrte nach und verlangte einen konkreten Namen, den sie jedoch nicht nennen konnte. In dieser Gruppe sei sie zwar formal Mitglied, aber nicht aktiv.

Auch Wolfgang Wagner, heute stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung III.6 „Südosteuropa und EU-Erweiterung; Twinning und TAIEX“, hatte sich um den Posten beworben. Er war zum Zeitpunkt der Ausschreibung bereits vier Jahre in Paris tätig – als stellvertretender Botschafter und als interimistisch geschäftsführender Botschafter. Thallinger war ihm in dieser Zeit unterstellt. Von der Zentrale in Wien habe er sich nicht wertgeschätzt gefühlt, wie er im Gericht erzählte.

Thallinger soll mit Konzept überzeugt haben

Sigrid Berka, Leiterin der Sektion VI – Personal, Controlling und Infrastruktur, bald Botschafterin in Tokio, sagte ebenfalls per Videoschaltung aus. Gehr hätte ohne seine Kabinettstätigkeit unter Kneissl und ohne Änderung der Geschäftseinteilung – ohne Einbindung der Personalvertretung – wohl bessere Chancen gehabt. Thallingers Bewerbung sei inhaltlich „elaborierter“ gewesen. Anwalt Völk kritisierte, solche Konzepte dürften nur berücksichtigt werden, wenn sie in der Ausschreibung ausdrücklich gefordert würden, und verwies unter anderem auf ein einschlägiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Unter anderen Umständen wären Gehr vermutlich wegen seiner größeren Erfahrung als höchst geeignet gereiht worden, aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes (!) wäre der Posten aber wahrscheinlich trotzdem an eine Frau gegangen, merkte Berka zudem an.

Berka räumte ein, dass bei der Bestellung von Michael Linhart (ÖVP) zum Botschafter in Berlin keine fristgerechte Bewerbung vorgelegen habe. Ein inzwischen gestrichener Passus habe es Ministern damals erlaubt, Leitungen von Vertretungen ohne reguläre Bewerbung zu vergeben.

Ähnliche Fälle zeigen ein Muster

Dass die Diskriminierung Gehrs kein Einzelfall ist, zeigte ein unter den Zuschauern anwesender Diplomat, der bei der Auswahl des Botschafters in Abu Dhabi benachteiligt worden war. Er hatte im Juli vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt und Schadensersatz erhalten. Auch in dieser Begutachtungskommission im Ministerium war Berka Mitglied.

Diese betonte, kein FCG-Mitglied zu sein und nicht von Ex-ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger ins Ministerium geholt worden zu sein. Sie erinnerte sich angeblich, dass Gehrs Änderungen der Geschäftsaufteilung Spannungen ausgelöst hätten.

Gehr hatte Ministerium und ÖVP in die Bredouille gebracht

Für Gehr ist hingegen klar, warum die ÖVP ihn ablehne: Dem ÖVP-Untersuchungsausschuss habe er mitgeteilt, dass das Außenministerium die Bundespartei unter anderem mit 12.000 Euro unterstützt habe.

Auch in einer anderen Angelegenheit wollte er Klarheit schaffen: Weil ihm eine Mitarbeiterin vorgeworfen hatte, sich ohne Genehmigung im Homeoffice zu befinden, zeigte er sich selbst an, um ein Disziplinarverfahren zu erzwingen und die Vorwürfe auszuräumen. Ein Schreiben des Personalabteilungsleiters, wonach Beamte bei schuldhafter Dienstpflichtverletzung disziplinarisch belangt werden müssten, sei von einer FCG-Gewerkschafterin in der Begutachtungskommission gegen ihn verwendet worden – zu Unrecht, wie Gehr betonte. Der Vorfall habe sich erst vier Monate nach der Sitzung der Kommission ereignet. Ein Disziplinarverfahren sei nicht eingeleitet worden. Stattdessen habe sich Gehr vom stellvertretenden Sektionsleiter Phillip Charwarth den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit anhören müssen – eine Anschuldigung, über die er sichtlich empört berichtete.

Ex-Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der laut Medienberichten ebenfalls geladen war, wurde nicht gehört. Nach sieben Stunden war die Verhandlung beendet, ein Urteil wird in den nächsten Wochen erwartet.

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