Was die Ukraine in diesen Wochen am stärksten erschüttert, kommt nicht nur aus Moskau, sondern aus dem eigenen Machtapparat in Kiew. Dort spricht man sogar von Intrigen und politischen Säuberungen. Ein prominenter Vertrauter von Präsident Wolodomyr Selenskyj steht dabei im Fokus.
Militärische Aussichten immer schlechter
Russland vermeldet täglich Gebietsgewinne, gleichzeitig fehlt es der Ukraine an Waffen, Soldaten, Versorgungsrouten, Munitionsdepots, Kommandoposten und Fabriken, die täglich zerstört werden – wie der ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsstaatssekretär Stephen Bryen sagte. Auch die Rekrutierung neuer Soldaten sowie die westlichen Waffenlieferungen bereiten zunehmend Probleme.
Kritik an Selenskyj und wachsender Einfluss Jermaks
Währenddessen schwelt in Kiew ein interner Machtkampf, der die Stabilität des gesamten Staates bedroht. Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht sich zunehmender Kritik ausgesetzt – nicht nur wegen der militärischen Lage, sondern auch wegen der wachsenden Dominanz und Intransparenz von Andrij Jermak, dem Chef des Präsidialamts.
Jermak gilt als Strippenzieher, der in besonders viele interne Machtkämpfe involviert sein soll. Er trifft Personalentscheidungen, beeinflusst politische Gegner und verärgert die ohnehin selten gewordenen Ansprechpartner im Westen. In den USA wächst parteiübergreifend die Frustration über seinen Führungsstil. Diplomaten berichten von einem zunehmend gestörten Draht zwischen Washington und Kiew – ein großes Problem, da die Ukraine dringend auf westliche Unterstützung angewiesen ist. Auch innenpolitisch ist der Zustand der Regierung labil – die Ukrainer verlieren zunehmend das Vertrauen in ihre Führung.
Korruptionsvorwürfe und politische Intrigen
Der Economist berichtete von drei besonders schwerwiegenden Fällen: Der stellvertretende Premierminister Oleksiy Chernyshov sieht sich mit einer Anklage wegen Bestechung konfrontiert. Nach dem unrühmlichen Besuch Selenskyjs bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus Ende Februar, bei dem es zum offenen Schlagabtausch zwischen beiden Präsidenten kam, soll sich Chernyshov selbst als Ansprechpartner für die Amerikaner ins Spiel gebracht haben. Für Jermak war das laut Economist nicht akzeptabel – er soll daraufhin die Ermittlungen gegen Chernyshov beeinflusst haben. Außerdem wird inzwischen die Jermak-Vertraute und Handelsministerin Julija Swyrydenko als mögliche Premierministerin gehandelt.
Zudem soll Kyrylo Budanow, Leiter des militärischen Geheimdienstes, von Jermak systematisch geschwächt worden sein. Angeblich scheiterte dessen Entlassung jedoch auch am Widerstand der US-Regierung.
Schwindender Rückhalt in Washington
Politico will von 14 verschiedenen Quellen in Washington erfahren haben, dass Jermak in der US-Hauptstadt zunehmend an Rückhalt verliert. Dort werde er laut einem führenden Republikaner sogar als „existentielle Belastung“ angesehen. Selenskyj scheint sich dennoch nicht von Jermak trennen zu wollen – es ist die Rede von gegenseitiger Abhängigkeit und einem eingespielten Machtduo. Im Weißen Haus soll Jermak inzwischen so unbeliebt sein, dass er bei einem unangekündigten Besuch in Washington sogar von Vizepräsident James „JD“ Vance ignoriert wurde.
Eine Besserung der diplomatischen Beziehungen ist kaum zu erwarten – zumindest dann nicht, wenn der ukrainische Präsident weiterhin an seinem Vertrauen zu Jermak festhält.