Ukrainische Truppen suchen vermehrt ihr Heil in der Flucht.

2. Dezember 2024 / 10:19 Uhr

Bis zu 200.000 Deserteure: Soldaten wollen nicht in aussichtslosem Krieg sterben

Die Einheiten sind ausgedünnt, von der projektierten Mannstärke ist nur noch ein Bruchteil vorhanden. Die verbliebenen Soldaten sind erschöpft und müssen ohne Erholung monatelang an der Front ausharren. Zunehmend viele von ihnen sitzen nicht freiwillig in ihren Schützengraben und machen sich aus dem Staub, sobald sie können. Andere kommen aus ihrem Erholungsurlaub nicht mehr zurück. So etwa stellt sich Berichten zufolge die Lage in der ukrainischen Armee dar.

Rette sich, wer kann

Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden seit dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 mehr als 100.000 Soldaten nach den Desertionsgesetzen angeklagt. Erst am 29. Oktober hat der Vorsitzende des Obersten Gerichts der Ukraine, Stanislaw Krawtschenko, bekannt gegeben, dass die Zahl der Desertionen und Befehlsverweigerungen in den ukrainischen Truppen deutlich gestiegen sei. Doch die tatsächliche Zahl der Deserteure soll viel höher sein, als angenommen. Von bis zu 200.000 ist die Rede. Laut Financial Times sollen in den ersten neun Monaten dieses Jahres mehr Armeeangehörige desertiert sein als in den zwei Jahren zuvor.

Erschöpft und demotiviert

Unter Berufung auf einen Beamten im Generalstab in Kiew erklärt die Zeitung diese Entwicklung mit der Erschöpfung in den ukrainischen Truppen. Im Financial Times Artikel wird ein Offizier der 123. Brigade der ukrainischen Streitkräfte zitiert. Der namentlich nicht genannte Militär gab an, dass es in seiner Einheit seit fast drei Jahren Krieg keine einzige Personalrotation gegeben habe.

„Wenn es keine Endfrist für den Militärdienst gibt, wird es zu einem Gefängnis – es wird psychologisch schwierig, Gründe zu finden, dieses Land zu verteidigen“, brachte es ein Deserteur gegenüber der Zeitung auf den Punkt.

Zwangsrekrutierungen im ganzen Land

Um der Personalnot Herr zu werden, sind überall im Land Rekrutierer der Regierung unterwegs, um Wehrpflichtige aufzuspüren, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen. Von der Straße weg werden sie von den Häschern der ukrainischen Armee mit Gewalt in Kleintransporter verladen, in Uniformen gesteckt und nach kurzer Ausbildung als Kanonenfutter an die Front verfrachtet.

Häufig würden sie an Markteingängen, in Parks, an Stränden, in Cafés und in Bereichen in der Nähe von Fabriken oder anderen Unternehmen, in denen Männer arbeiten, lauern, berichtete ein anonym bleiben wollender Beamter des „Territorialen Zentrums für Rekrutierung und soziale Unterstützung“ (TCC) der Zeitung The Telegraph Anfang vergangene Woche. Der Umgang mit seinen Zielpersonen gleiche dem Umgang “mit einer in die Enge getriebenen Ratte”. Mitleid mit seinen Zielpersonen habe er mittlerweile nicht mehr. „Entweder sie oder ich“, sagte er der Zeitung. Und er denke, es sei besser für das TCC zu arbeiten, als sich vor ihm verstecken zu müssen.

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