In einem brisanten Interview mit dem Falter zum 80. Geburtstag zieht die langjährige Innenpolitik-Journalistin Anneliese Rohrer Bilanz über ihre jahrzehntelangen Erfahrungen mit der österreichischen Politik und den engen Verflechtungen zwischen Medien und Macht. Besonders scharf kritisiert sie die ÖVP und beschreibt eindrucksvoll die Methoden des Machtmissbrauchs, die seit Jahrzehnten praktiziert werden – von direkten Drohungen bis zur systematischen Kontrolle der Berichterstattung.
Drohungen durch ÖVP-Spitzenpolitiker
Rohrer beschreibt mehrere Vorfälle, bei denen ÖVP-Politiker direkt Druck auf sie ausgeübt haben. Besonders eindrucksvoll ist ihre Schilderung eines Gesprächs mit dem damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel, der ihr in den 1990er-Jahren gedroht hatte: „Wenn Sie das schreiben, Sie wissen, morgen ist im Ministerrat die Presseförderung!“ Schüssel hatte offensichtlich versucht, auf diese Weise unliebsame Berichterstattung zu verhindern. Rohrer reagierte, indem sie ihn direkt an die Chefredaktion weitervermittelte, um sich dem Druck zu entziehen. Diese Episode zeigt, wie mächtig die ÖVP ihre Einflussmöglichkeiten ausspielte, um Journalisten zum Schweigen zu bringen.
Noch direkter und einschüchternder war das Verhalten von Ernst Strasser, dem damaligen Landesgeschäftsführer der ÖVP Niederösterreich, der Rohrer in den 1990ern bedrohte: „Wenn ich das schreibe, wird er dafür sorgen, dass ich meinen Job verliere.“ Diese Art von Drohungen, die Rohrer erlebte, sind keine Einzelfälle. Sie spiegeln das Machtverständnis einer Partei wider, die seit Jahrzehnten maßgeblich die politische Landschaft in Österreich prägt.
Die ÖVP und ihre „Message Control“
Auch das heute oft mit Sebastian Kurz assoziierte Konzept der „Message Control“ ist laut Rohrer keineswegs neu. Schon lange versuchen Politiker, ihre Botschaften strikt zu kontrollieren, und es ist eine beidseitige Beziehung zwischen den Akteuren in der Politik und den Medien. „Message Control an sich ist ja nichts Verwerfliches,“ sagt Rohrer, „aber es braucht – wie beim Du-Wort – immer ‚two to tango‘.“ Rohrer macht deutlich, dass die Journalisten ebenso Verantwortung tragen, wenn sie sich von der Politik vereinnahmen lassen.
Dabei kritisiert sie auch die zunehmende Nähe zwischen Politikern und Journalisten, die es der ÖVP leichter macht, die Kontrolle über die Berichterstattung zu behalten. Sie berichtet von jungen Journalistinnen, denen das Du-Wort von Politikern oft aufgedrängt wird, um die Distanz zu verringern. „Sagt einfach: Nein danke, wir bleiben per Sie“, lautet Rohrers Appell an die nächste Generation von Journalisten, die sie zu mehr Unabhängigkeit und Distanz ermutigt.