Auf dem Saazer Marktplatz, wo nach dem Zweiten Weltkrieg hunderte Kinder, Frauen und Männer ermordet worden sind.

28. Juni 2024 / 17:55 Uhr

Gelebte Völkerverständigung: Tschechen und Deutsche gedenken gemeinsam der Opfer

Es war ein Monat nach dem Krieg, in Friedenszeiten, als von 3. bis 7. Juni 1945 in Postelberg und Saaz in der Nähe von Aussig im Nordwesten der heutigen Tschechischen Republik mindestens 763 deutsche Buben und Männer ermordet wurden.

Meist Kinder und Alte ermordet

Sie waren zwölf Jahre, andere über 60 und wurden nach dem Abzug der sowjetischen Truppen von den Tschechen auf dem Kasernengelände in Postelberg zusammengetrieben. Von dort ging es in ein Internierungslager, aus dem sie nie wieder zurückkamen. Sie wurden gefoltert und schließlich zu Tode gebracht. Mitten im Frieden.

Erstmals tschechische Öffentlichkeit dabei

Während viele Jahrzehnte der Mantel des Schweigens darüber gebreitet worden war, versammelt sich seit einigen Jahren das „Verschönerungskollektiv“ in Saaz und gedenkt der unschuldigen Opfer von Hass und Gewalt.

Dazu gehört auch der dritte Schüler-Gedenkmarsch von Postelberg nach Saaz, der von Schülern des Jan-Kepler-Gymnasiums in Prag, des Kaadener Gymnasiums und des Václav-Hlavatý-Gymnasiums in Laun (Louny) organisiert wird. In diesem Jahr nahm zum ersten Mal auch die tschechische und bundesdeutsche Öffentlichkeit teil: Botschafter, Bürgermeister, Stadträte.

Interaktiver Gedenkmarsch

Der Erinnerungsmarsch führt von Postelberg nach Saaz, auf den Bänken entlang des Weges liegen Listen mit den ermordeten deutschen Bewohnern aus den beiden Orten und Namenskärtchen von ihnen. Jeder Teilnehmer konnte sich einen Namen aussuchen und das Schild mit dem Namen an seiner Kleidung festmachen. Am Kasernenplatz, wo den Kindern und Alten unfassbare Gräueltaten angetan worden waren, gab es eine Ansprache.

Begleitet wurde der Gedenkmarsch von der tschechischen Presseagentur, dem tschechischen Fernsehen und der Minderheitensendung für die wenigen überlebenden Deutschen, „Nachbarn“, im tschechischen Rundfunk.

Tschechische Zeitzeugen…

Ein tschechischer Zeitzeuge, der damals seinen Militärdienst dort abgeleistet hatte, erinnerte sich:

Ich musste zum Schluss meines Dienstes noch ins Gefängnis und half bei den Arbeiten im Garten. Auf einmal kommt mein Freund Jiri aus Hanna in Mähren, der Metzger war, zu mir und zeigte mir Knochen auf seiner Hand. Ich sagte ihm ´Das kommt von der Küche, die ist nebenan´, und er sagte mir: ´Das sind keine Tierknochen, das sind Knochen von Menschen!´

… und deutsche Zeitzeugen

Weiter ging der Versöhnungsmarsch Richtung Saaz. An der sogenannten Gartenkolonie erinnerte sich Walter Urban, ein verbliebener Postelberger:

Dort oben habe ich meinen Vater verloren, der hier am 27. Juni 1945 ums Leben kam.

Etwa zwei Kilometer entfernt gab es einen Halt am Lewanitzer Fasanengarten, wo hunderte vor allem Frauen und Kinder umgebracht worden waren. Auf dem 2022 aufgestellten Holzkreuz ist eine Metalltafel angebracht mit dem zweisprachigen Text:

An nutzlosen Opfern 1945: Dieses Kreuz steht nicht weit von den Massengräbern, die von der Parlamentskommission im Jahre 1947 gefunden wurden. Es geschähe zur Erinnerung an die ´Demozide´ der einheimischen deutschen Bevölkerung im Mai und Juni 1945.

Botschafter mit mahnenden Worten

Eine Lehrerin des Kaadener Gymnasiums betonte die Wichtigkeit der Aktion, die bei den tschechischen Schülern sofort auf Anteilnahme stieß. Andreas Künne, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechischen Republik von der Deutschen Botschaft in Prag, sagte:

Ich bin überzeugt, nur wer ehrlich in den Spiegel sieht, kann alte Irrtümer und Fehler und Feindbilder vermeiden.

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