Die regierende konservative PiS liegt bei den Wahlen in Polen laut aktuellen Prognosen erwartungsgemäß auf Platz eins. Mit 36,6 Prozent der Stimmen büßt sie aber ihre bisherige absolute Mehrheit und ihre dominierende Stellung ein.
Offener Streit mit Brüssel
Deshalb bringt sich die Opposition in Stellung: Ein Drei-Parteien-Bündnis könnte künftig in Warschau den Ton angeben. Und der wird dann wieder EU-höriger sein als bisher. Denn zweitstärkste Partei wurde mit 31 Prozent die liberal-konservative Bürgerkoalition (KO) des ehemaligen Ministerpräsidenten und früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk.
Mit der EU lag die bisherige Regierungspartei PiS im offenen Streit. Brüssel verlangte nicht nur die Aufnahme von hereindrängenden Orientalen und Afrikanern, sondern vor allem die Unterwerfung unter die politische Richtung der (nicht gewählten) EU-Kommission. Es ist daher davon auszugehen, dass Brüssel künftig wieder mehr Einfluss in Polen haben wird.
Rassistische Politik
Die PiS fuhr auch einen aggressiven Kurs gegen beide großen Nachbarn; Warschau war Scharfmacher gegen Russland und stellte gleichzeitig Milliarden-Forderungen an Berlin. Innerstaatlich kürzte sie die Mittel für den Minderheiten-Sprachunterricht in Polen – aber nur für die Deutschen, für keine andere Minderheit in Polen. Sie nahm die rund 350.000 Deutschen, die die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, in Geiselhaft. Bis heute.
Deshalb erhoffen sich die autochthonen Einwohner von Schlesien, Preußen und Pommern eine Verbesserung durch einen Regierungswechsel.
Keine Mehrheit für PiS
Nach aktueller Prognose – die offiziellen Ergebnisse werden erst für die kommende Nacht erwartet – dürfte dieser zustande kommen. Denn die PiS käme nur noch auf 198 Sitze im neuen Parlament. Für eine Regierungsmehrheit sind 231 der 460 Mandate erforderlich.
Als Koalitionspartner käme für die PiS nur die neue rechte Partei Konfederacja infrage. Sie dürfte mit 14 Mandaten einen Achtungserfolg einfahren, für eine Regierungsmehrheit reicht es aber nicht.
Bündnis von links bis rechts
Anders auf linker Seite: Tusk kommt laut Prognosen auf 161 Mandate. Gemeinsam mit der christlich-konservativen Partei „Dritter Weg“ (13,5 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) möchte er eine Koalition bilden. Zusammen hätten die Parteien 248 Abgeordnete im Parlament und damit eine regierungsfähige Mehrheit.
Deutsche Minderheit im polnischen Parlament
Die Wahlbeteiligung ist bei den diesjährigen Wahlen stark angestiegen. 72,9 Prozent der Polen gaben ihre Stimme ab, 2019 waren es nur 61,74 Prozent gewesen.
Die höhere Wahlbeteiligung könnte sich auch für die Deutschen lohnen, die dann vielleicht ein zweites Mandat erhalten könnten. So lag die Wahlbeteiligung in der Gemeinde Walzen vor vier Jahren bei knapp mehr als 29 Prozent, gestern, Sonntag bei fast 50 Prozent. Die hohe Wahlbeteiligung in den deutsch besiedelten Gebieten „ist auch eine Chance für die Minderheit“, sagte Ryszard Galla, Abgeordneter und Spitzenkandidat der Minderheitenliste.