Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán will primär ungarische Interessen vertreten.

28. Juni 2023 / 10:37 Uhr

Das große Orbán-Gespräch über den Ukraine-Krieg

Die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung, die Bild, führte mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein ausführliches Interview über den Ukraine-Krieg. Unzensuriert präsentiert hier die interessantesten Passagen.

Ungarn nimmt Sonderhaltung an

Dabei gilt es, zu wissen, dass Orbán innerhalb der Europäischen Union eine außergewöhnliche Position bezüglich des Ukraine-Krieges einnimmt. Ungarn liefert nicht nur keine Waffen in den Konfliktherd, sondern verbietet auch deren Transporte über sein Staatsgebiet. Man verurteilt Russland nicht pauschal, sondern gibt sich neutral und will Verhandlungen mit beiden Seiten. Dabei sind Ungarns Interessen besonders stark betroffen: Erstens grenzt die Ukraine an Ungarn, zweitens gibt es in der Region Transkarpatien eine große ungarische Minderheit von rund 150.000 Menschen.

“Russland funktioniert anders”

Dem Putschversuch der Wagner-Gruppe gibt der Ministerpräsident nicht so viel Bedeutung, wie es der Westen tut. Das rasche Vorstoßen der Söldner zeige zwar eine große Schwäche Russlands, das völlige bereinigen innerhalb von 24 Stunden jedoch ebenso eine innere Stärke:

Ich sehe keine große Bedeutung in diesem Ereignis. […] Wenn das passieren konnte, ist das ein klares Zeichen von Schwäche. Aber wenn es in 24 Stunden geschafft ist, ist es ein Zeichen von Stärke. […] Wissen Sie, das ist Russland. Russland funktioniert anders als wir. Die Strukturen in Russland sind sehr stabil. Sie basieren auf der Armee, dem Geheimdienst, der Polizei, es ist also eine andere Art von Land, es ist ein militärisch orientiertes Land. Vergessen Sie also nicht, dass die Russen nicht so ein Land sind wie wir, Deutschland oder Ungarn. Es ist eine andere Welt. Die Struktur ist anders, die Macht ist anders, die Stabilität ist anders. Wenn Sie also aus unserer Logik heraus verstehen wollen, wie sie funktionieren, werden wir uns immer täuschen.

“Ich kümmere mich um Ungarn”

Orbán wird aufgrund seiner neutralen Position im Krieg oft vorgeworfen, dass er eine Marionette Putins wäre. So berichtete zum Beispiel die ARD in einem Beitrag. Dass dies nicht der Fall ist, sondern dass ihn nur ungarische Interessen kümmern, zeigen folgende Aussagen:

Sie wissen schon, den Ungarn zu sagen, dass wir Pro-Russen oder Freunde der Russen sind, widerspricht unseren historischen Erfahrungen. Ich kämpfe für Ungarn. Ich kümmere mich nicht um Putin. Ich kümmere mich nicht um Russland. Ich kümmere mich um Ungarn. Was ich also tue, sind Positionen und Aktionen, die gut für die Ungarn sind. Und definitiv ist alles, was jetzt zwischen Russland und der Ukraine passiert, schlecht für die Ungarn. Es ist gefährlich für die Ungarn. Wir haben Leben verloren, ungarische Minderheiten leben dort. Die Gefahr, die vom Krieg ausgeht, ist in unserer Nachbarschaft. Es ist nicht so wie bei euch, ihr wisst, ihr seid die Deutschen, ihr habt Polen und Ungarn zwischen Russland und dem ukrainischen Krieg.

Den Ukrainern würden früher oder später Soldaten ausgehen

Aus militärischer Sicht glaubt Orbán trotz der Erfolge nicht an einen Sieg der Ukraine. Für ihn habe Russland schlicht mehr Menschenmaterial zur Verfügung:

Ich denke, dass die Art und Weise, wie die Ukrainer an der Frontlinie kämpfen und wir sie finanziell, mit Informationen und mit Instrumenten unterstützen, und sie einen Krieg gegen Russland gewinnen können, ein Missverständnis der Situation ist. Das ist unmöglich. […] Nicht von bestimmten Ereignissen des Krieges. Ich spreche über den Ausgang des Krieges, und das Problem ist, dass den Ukrainern die Soldaten früher ausgehen werden als den Russen, und das wird am Ende der entscheidende Faktor sein.

Es läge an den Amerikanern

Orbán sieht die einzige Möglichkeit, den Konflikt zumindest einzufrieren, in Verhandlung – nicht jedoch zwischen Russland und der Ukraine, sondern zwischen den Vereinigten Staaten und Russland. Der Grund dafür ist, dass die Ukraine derzeit laut Orbán de facto seine Souveränität verloren hat:

Was wirklich zählt, ist, was die Amerikaner tun möchten. Die Ukraine ist kein souveränes Land mehr. Sie haben kein Geld. Sie haben keine Waffen. Sie können nur kämpfen, weil wir im Westen sie unterstützen. Wenn die Amerikaner also beschließen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben. […] Wir möchten die Ukraine retten. Und der einzige Weg, sie zu retten, ist, dass die Amerikaner Verhandlungen mit den Russen aufnehmen und eine Vereinbarung über eine Sicherheitsarchitektur treffen und einen Platz für die Ukraine in dieser neuen Sicherheitsarchitektur finden.

Das gesamte Gespräch ist auf der Internetseite der Bild verfügbar.

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