Am Freitag hielt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine staatsmännisch inszenierte „Rede zur Zukunft der Nation“. Hochtrabende Worte. Doch der Inhalt lässt darauf schließen, dass sie eher helfen sollte, die ÖVP aus ihrem Umfrage-Tief herauszuholen.
Was die Österreicher wünschen
Denn Nehammer kündigte an, jenen Ausländern, die weniger als fünf Jahre in Österreich leben und Sozialleistungen in voller Höhe erhalten, die Geldgeschenke kürzen zu wollen.
Reflexartig sprang der Koalitionspartner an. Die Grünen lehnen jede Kürzung der Sozialleistungen für Einwanderer ab und wiesen die ÖVP über den Umweg der „Zeit im Bild 2“ gestern, Sonntag, darauf hin, dass die Kürzungen rechtlich nicht umsetzbar wären, da es sich bei den meisten Leistungen um Versicherungsleistungen handle.
Grüner Koalitionspartner arbeitet am Gegenteil
Heute, Montag, legte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) ein Scherflein nach. Seiner Meinung nach soll für den Bezug der Bedarf an Unterstützung ausschlaggebend sein, nicht die Aufenthaltsdauer im Land oder das Ausmaß der Beschäftigung. Kurzum: Die Grünen wollen den Einwanderern die Sozialleistungen also noch schneller zukommen lassen, das Gegenteil dessen, was Nehammer postulierte.
Freiheitliche Vorschläge
Nun hat sich die ÖVP aber freiwillig mit den Grünen ins koalitionäre Ehebett gelegt. Die Freiheitlichen hatten in ihrer Regierungsarbeit einen entsprechenden Antrag ausgearbeitet. Dieser war zwar vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden, hätte aber leicht repariert werden können. Doch das wollte die ÖVP damals nicht.
Daher erklärte die freiheitliche Sprecherin für Arbeit und Soziales, Dagmar Belakowitsch:
Die Show-Politik der Volkspartei ist einfach unerträglich.
Hätte die ÖVP ernste Absichten, wäre sie schon 2017 auf die freiheitlichen Forderungen eingegangen, so die Nationalratsabgeordnete.
FPÖ-Antrag zur Sicherung des Sozialsystems
Sie weist auch auf einen FPÖ-Antrag hin, der genau das zum Ziel hatte, was Nehammer am Freitag vollmundig ankündigte. Doch es war die ÖVP, die den Antrag gemeinsam mit den Grünen abgelehnt hat.
Um das Sozialbudget nachhaltig zu entlasten, müssen Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigte in der Grundversorgung bleiben und nur Sachleistungen bekommen, bis sie sich selbst erhalten können. Diese Grundversorgung soll erst dann enden, wenn die „Flüchtlinge“ in den ersten Arbeitsmarkt eintreten.
Wo war Herr Nehammer in den letzten Jahren?
Belakowitsch fragt sich, wo denn die ÖVP in den letzten Jahren gewesen ist:
Wer sich die Rede des Kanzlers sowie die darauffolgenden Aussendungen der ÖVP-Minister ansieht, könnte ja fast glauben, die ÖVP wäre nicht in der Regierung. Seit gut 23 Jahren, mit kurzer Unterbrechung, stellt die ÖVP den Innenminister, und seit Jahrzehnten ist die ÖVP in der Bundesregierung. Passiert ist aber nicht viel.
Nur unter Kickl bewegte sich etwas
Einzig unter Innenminister Herbert Kickl wurden „effiziente Maßnahmen gegen die ‘neue Völkerwanderung’“ gesetzt. Belakowitsch erinnert sich:
Aber das war der ÖVP schon damals ein Dorn im Auge.
Zweiter Beweis für „Show-Politik“
Nehammers Ankündigung dürfte aber noch aus einem anderen Grund reine „Show-Politik“ sein. Denn das Thema Sozialleistungen fällt in das Ressort von Sozialminister Rauch – also den Grünen. Die ÖVP kann zwar über eine hübsche Rede Wünsche an den Koalitionspartner übermitteln, aber wozu sitzen sie gemeinsam auf der Regierungsbank?
Doch anscheinend sind die beiden Regierungspartner bereits so zerstritten, dass man sich über die Öffentlichkeit wichtige Wünsche und Argumente ausrichtet. So hat auch postwendend die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer Nehammer darauf hingewiesen, dass nicht Integrationsministerin Susanne Raab, sondern eben ihr eigenes Parteimitglied Rauch dafür zuständig ist.