Zahlreiche Facebook-Nutzer haben in den letzten Tagen Post von Rechtsanwalt und Verfassungsrichter Michael Rami erhalten. Im Namen seiner Mandantin Katharina Nehammer – Ehefrau des Innenministers – werden sie aufgefordert, innerhalb einer kurzen Frist stolze 4,482,84 Euro zu überweisen, andernfalls ihnen Klagen drohen. Betroffen könnten mehr als 1000 Nutzer sein. Zahlen sie alle, kassiert die Ministergattin rund 3,5 Millionen Euro. Der Kontostand des Anwalts würde durch den „Serienbrief“ um knapp 1 Million steigen.
Facebook-Posting als Stein des Anstoßes
Der Anlass für diese großangelegte „Inkassoaktion“ wirkt vergleichsweise harmlos. Den Facebook-Nutzern wird vorgeworfen, eine Textgrafik verbreitet oder geteilt zu haben, auf der folgendes geschrieben steht:
Nehammers Gattin arbeitet im Hygiene Austria FFP2 Unternehmen vom Gatten der Sekretärin des Kurz. Uiii da wird Kohle gschefflt und das brave Volk glaubt es war für d‘ GSUNDHEIT
Vorwurf der üblen Nachrede
Anwalt Rami behauptet in den Schreiben, die Nutzer hätten dadurch den strafrechtlichen Tatbestand der üblen Nachrede in Form eines Medieninhaltsdelikts sowie den zivilrechtlichen Tatbestand der Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung verwirklicht. Einen Beweis, dass der Text tatsächlich von den jeweiligen Adressaten seines Schreibens veröffentlicht wurde, bleibt er jedoch schuldig.
4.500 Euro zahlen oder geklagt werden
Dennoch fordert Rami die Nutzer auf, innerhalb kurzer Frist zwei hohe Summen zu überweisen: 3.500 Euro als Entschädigung für Katharina Nehammer und 942,82 Euro für die Kosten seines eigenen Einschreitens. Zusätzlich müssen sich die Personen schriftlich verpflichten, diese ohne sinngleiche Behauptungen nicht mehr zu verbreiten. Tun sie das nicht oder verweigern sie die Zahlung, so kündigt Rami gerichtliche Schritte an, und zwar eine strafrechtliche Privatklage sowie eine zivilrechtliche Klage.
Anwalt Dohr: Bis zu 4,5 Millionen für Nehammer
Rechtsanwalt Michael Dohr, der zumindest einen der Empfänger des Schreibens vertritt, rechnet gegenüber dem Kurier (Paywall) mit enormen Geldsummen, die auf diese Weise eingetrieben werden sollen: „Das Posting wurde anscheinend 1.300 Mal geteilt. Wenn alle zahlen, wären das dann 4,5 Millionen Euro steuerfrei und nochmals 1,3 Millionen Euro für den Anwalt“. Dohr will weder eine üble Nachrede noch eine Ehrenbeleidigung erkennen.
Gerichtlicher Vergleich als Basis für Forderungen
Rami stützt sich in seiner Forderung auf einen gerichtlichen Vergleich mit einem der Verbreiter des Postings. Dieser hatte sich zu einer Richtigstellung seiner Behauptung und zur Zahlung von 3.500 Euro Entschädigung an Katharina Nehammer verpflichtet. Im Gegenzug wurde die Privatklage gegen ihn zurückgezogen. Von übler Nachrede oder Ehrenbeleidigung ist in dem Vergleich jedoch keine Rede, sondern lediglich von der Verbreitung einer falschen Behauptung. Tatsächlich wurde allem Anschein nach bisher niemand aufgrund dieses Postings verurteilt.
Nehammer arbeitet nicht bei Maskenhersteller, sondern bei dessen PR-Firma
Bei dem inkriminierten Text handelt es sich insofern um eine falsche Behauptung, als Katharina Nehammer nicht bei der Firma Hygiene Austria arbeitet. Tatsächlich ist die ehemalige Kabinettsmitarbeiterin sowie Pressesprecherin von Innenminister Wolfgang Sobotka und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) jetzt für die PR-Firma eines ebenfalls ÖVP-nahen Unternehmers tätig. Diese Firma betreut auch die Hygiene Austria. Nehammer selbst arbeitet nach Aussagen des Unternehmens jedoch für andere Kunden.
Schwere Vorwürfe: China-Masken umetikettiert
Die Firma Hygiene Austria, die zumindest mittelbar im teilweisen Besitz des Ehemannes der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz steht, ist mit massiven Vorwürfen konfrontiert. Es fand eine Razzia in den Firmengebäuden statt, weil dort Schutzmasken aus chinesischer Produktion umetikettiert und als Produkte „Made in Austria“ verkauft worden sein sollen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Posting schon vor Bekanntwerden der Maskenaffäre
Es mutet also auf den ersten Blick verständlich an, dass sich Katharina Nehammer gegen die falsche Behauptung wehrt, sie arbeite für ein solches Unternehmen. Allerdings: Die Postings wurden allesamt in den Tagen nach dem 7. Februar 2021 geteilt, die mutmaßlich illegalen Praktiken der Hygiene Austria flogen jedoch erst Anfang März auf. Dennoch wurde Nehammer sofort juristisch aktiv. Ihr Anwalt Rami sagte bereits am 23. Februar gegenüber der Kleinen Zeitung: „Eine besonders schwerwiegende üble Nachrede, daher geht meine Mandantin dagegen vor.“
Seltsam, dass die Frau eines ÖVP-Ministers die Behauptung, sie arbeite für eine Firma, die sogar vom ÖVP-Bundeskanzler persönlich besucht wurde, als „besonders schwerwiegende üble Nachrede“ sieht. Hat sie mit ihrer Aktion Erfolg, wird man ihr das Geldscheffeln künftig jedenfalls nachsagen können.
Keine Reaktion von Nehammer und Rami
Unzensuriert.at hat sowohl Katharina Nehammer als auch ihrem Anwalt Michael Rami mehrere Fragen zu der fragwürdigen Serienbrief-Aktion gestellt, erhielt aber bislang keine Antworten. Bereits für den Kurier war Rami am Freitag nicht erreichbar.