Man kann es nur als neues Kapitel im anhaltenden Corona-Wahnsinn betrachten: In Oberösterreich wurde letzte Woche durch die Zeitung Wochenblick bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Linz die Polizei in einem E-Mail explizit dazu aufforderte, bei Verletzungen von Quarantäne-Auflagen stets die Möglichkeit der Verhängung einer Untersuchungshaft zu bedenken.
Kommentar von Dr. Susanne Fürst
Die Staatsanwaltschaft führte im Mail aus:
Bei coronabedingten Quarantäne-Verstößen werden möglicherweise die Delikte der §§ 178f StGB (Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten) verwirklicht.
Es wurde weiters darauf hingewiesen,
dass (auch) bei Unbescholtenen der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a) StPO heranzuziehen sein wird. […] In solchen Fällen möge daher umgehend mit dem ha. Journal-StA Kontakt aufgenommen werden.
Bei versuchter Infektion (das wäre bereits beim Verlassen des Hauses verwirklicht) wurde auf die Realisierung der versuchten schweren Körperverletzung gemäß §§ 15 und 84 StGB verwiesen.
Versuchte Körperverletzung
Die Echtheit des Mails wurde von der Staatsanwaltschaft Linz bestätigt. Es habe der „Sensibilisierung“ der Polizei gedient und die Verletzung einer Quarantäne-Maßnahme könne bei einer nachgewiesenen Corona-Infektion als versuchte Körperverletzung gewertet werden. Es wird auch mit der Gefährlichkeit des Virus argumentiert, welche in der leichten Übertragbarkeit, hohen Ansteckungsgefahr und der gravierenden Folgen bei schweren Krankheitsverläufen liegen würde. Diese Umstände können eine Untersuchungshaft rechtfertigen.
Was bedeutet diese Botschaft?
Grundsätzlich kann eine Quarantäneverletzung nicht nur die Verhängung einer Geldstrafe durch die Polizei, sondern auch ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Die Durchführung eines Gerichtsverfahrens wäre aber nur in schweren Fällen angemessen, in denen etwa jemand mehrfach die Auflage verletzt, obwohl er Corona-positiv ist und Kontakt mit der Risikogruppe hat. Die Verhängung einer Untersuchungshaft (bis zum Termin der Strafverhandlung) wiederum wäre nach den Grundsätzen unserer Strafprozessordnung nur in besonders krassen Fällen verhältnismäßig, die eigentlich schwer denkbar sind. Wenn etwa ein Corona-Infizierter auf der Straße Menschen ins Gesicht spuckt, um sie absichtlich zu infizieren. Aber dann gehört diese Person wohl auch aus anderen Gründen aus dem Verkehr gezogen.
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Keine Rede von besonders schweren Fällen
Doch das E-Mail enthält geradezu eine Anweisung an die Polizei, pauschal bei Nichtbefolgen von Quarantäne-Auflagen den diensthabenden Staatsanwalt zu informieren und den „Sünder“ zu melden; es ist nicht die Rede von besonders schweren Fällen. Und der Staatsanwalt würde laut dem E-Mail gegen die Quarantäne-Verletzer wegen versuchter Körperverletzung undifferenziert Untersuchungshaft beantragen. Diese Vorgehensweise wäre meines Erachtens völlig überschießend und vom Gesetz nicht gedeckt.
Quarantäne-Brecher meist völlig unbescholten
Dies bedeutet nichts anderes, als dass z.B. eine Mutter, die sich in Quarantäne befindet, aber rasch einkaufen geht, weil ihre Kinder nun einmal etwas zu essen brauchen, in U-Haft gesteckt werden könnte. Man muss sich vor Augen halten, dass es sich bei allfälligen Quarantäne-Brechern nahezu ausschließlich um Personen handelt, welche völlig unbescholten sind und vermutlich meist aus Notwendigkeit gegen die Quarantäne-Auflage verstoßen. In Quarantäne befinden sich noch dazu nicht nur Personen, welche mit Sicherheit Corona haben, sondern auch solche, die sogar über einen negativen Test verfügen und/oder nur aus Vorsorgegründen wegen Rückkehr von einer Reise 14 Tage zu Hause bleiben müssen.
Sinn einer Untersuchungshaft in der Strafprozessordnung
Zur Erklärung: In § 173 der Strafprozessordnung (StPO) werden die Voraussetzungen für die Verhängung einer Untersuchungshaft festgelegt. Diese darf nur über Antrag der Staatsanwaltschaft, nach Genehmigung durch ein Gericht und nur bei Vorliegen eines dringenden Verdachts auf Vorliegen einer bestimmten, schweren Straftat verhängt werden. Ein dringender Tatverdacht ist wiederum nur bei Vorliegen eines Haftgrundes gegeben:
- Fluchtgefahr
- Verdunkelungsgefahr
- Tatbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr
Insgesamt muss die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Bedeutung der Sache gegeben sein und der Zweck darf nicht durch gelindere Mittel erreicht werden können.
Auch Gewalttäter kommen häufig ohne U-Haft davon
Dazu muss man wissen, dass die Praxis der Justiz eindeutig in die Richtung geht, dass die Verhängung einer Untersuchungshaft tunlichst zu vermeiden ist und letztlich nur bei hochgefährlichen, vorbestraften Gewalttätern ohne festen Wohnsitz verhängt wird. So wird etwa das Vorliegen der Fluchtgefahr – auch bei ausländischen Tätern – bereits verneint, wenn der Beschuldigte in geordneten Verhältnissen lebt und einen festen Wohnsitz im Inland hat. Die Verdunkelungsgefahr wird äußerst selten festgestellt und kommt nur bei Komplizenschaft mit mehreren Tätern, welche noch nicht gefasst wurden, zur Anwendung. Die im E-Mail der Staatsanwaltschaft Linz zitierte Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a) StPO soll die neuerliche Begehung von Straftaten durch den Beschuldigten verhindern (daher auch Wiederholungsgefahr genannt).
Wer aller NICHT in U-Haft genommen wurde
Damit man weiß, wovon wir hier reden, einige Beispiele, in welchen Fällen überall KEINE Untersuchungshaft verhängt wurde, da keine Tatbegehungsgefahr bejaht wurde:
- Im Jänner 2020 verprügelte ein Mann in Wien-Meidling seine Lebensgefährtin stundenlang. Sie rettete sich schwer verletzt auf die Straße. Der mutmaßliche Täter kam trotz der schweren Körperverletzung nicht in U-Haft, da weder Flucht-, Verdunkelungs- noch eine Wiederholungs-/Tatbegehungsgefahr bejaht wurde. Die U-Haft wurde als unverhältnismäßig eingestuft, da man eine Meldeadresse des Täters hatte(!).
- Ebenfalls in Wien wurde ein 16-jähriges Mädchen von ihrem Ex-Freund mit 30 Messerstichen lebensbedrohlich verletzt. Sie erstattete bereits vor dieser Tat Anzeige bei der Polizei, weil er mehrmals gewalttätig geworden war. Er wurde jedoch nicht in U-Haft genommen, sondern lediglich auf freiem Fuß angezeigt. Man fragt sich, für welche Fälle die StPO den Haftgrund der Wiederholungsgefahr in § 173 StPO vorsieht!
- In Linz zog ein 22-jähriger Somalier in einer Nacht eine brutale Blutspur durch die Stadt: Zunächst schlug er in der Altstadt brutal auf eine Frau ein, unmittelbar danach versuchte er, sich am Taubenmarkt an einer Frau sexuell zu vergehen, und attackierte dann die gerufenen Polizisten mit Schlägen und Tritten. Der Täter wurde von der Staatsanwaltschaft Linz – ja, dieselbe, die nun für Quarantäne-Verletzer pauschal die U-Haft prüfen will – lediglich auf freiem Fuß angezeigt und nicht in U-Haft genommen. Auch hier wurde eine neuerliche Tatbegehungsgefahr nicht als möglich angesehen.
Grundrecht auf persönliche Freiheit
In den zitierten Fällen wurde das Grundrecht der schweren Gewalttäter auf ihre persönliche Freiheit bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein Gericht als höher eingestuft als der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten dieser Personen. Solche Fälle gibt es in großer Anzahl und sie führen gerade bei ausländischen Tätern natürlich sehr oft dazu, dass sich die Straftäter der Strafverfolgung entziehen und untertauchen.
§ 173 Abs 6 StPO sieht die Verhängung einer Untersuchungshaft nur in den Fällen als regelmäßig geboten an, wenn ein Verbrechen vorliegt, bei dem nach dem Strafgesetz auf eine mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist; also praktisch nur bei den Tätern, welche auf einen Mordprozess warten. Aber selbst in diesen Fällen gibt es die Möglichkeit für den Richter, von einer Untersuchungshaft ausnahmsweise abzusehen, wenn die Haftgründe nicht vorliegen.
Auch bei Totschlag keine generelle U-Haft
Doch weder bei Totschlag, Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, (absichtlicher) schwerer Körperverletzung, Quälen wehrloser Personen oder Menschenhandel ist grundsätzlich eine Untersuchungshaft zu verhängen. Selbst wenn sie verhängt wird, muss regelmäßig das weitere Vorliegen der Haftgründe durch den Richter geprüft werden. Und selbst bei schweren Straftaten wird stets zusätzlich zu den Haftgründen das Vorhandensein milderer Mittel geprüft, welches den Zweck der Haft abwenden könnte (z.B. in Fällen von häuslicher Gewalt reicht meist das Gelöbnis, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen und eine Wegweisung zu akzeptieren, oder bei Vorliegen von Fluchtgefahr bei ausländischen Tätern reicht meist das Ablegen eines Gelöbnisses, nicht zu fliehen; auch die Leistung einer – finanziellen – Sicherheit ist möglich). Aber bei Corona soll das nicht gelten!
Der Umstand, dass die Strafprozessordnung bei Einschränkung der persönlichen Freiheit sehr strenge Kriterien und Kontrollen vorsieht, hat aufgrund der Eingriffsintensität in die Grundrechtssphäre des Betroffenen seine Berechtigung. Aber man muss sich vor Augen halten, dass die Staatsanwaltschaft Linz mit ihrem E-Mail Personen, welche gegen einen Quarantäne-Bescheid verstoßen, faktisch mit schweren Gewalttätern auf eine Stufe stellt.
Schwere Folgen – die Gefährlichkeit des Virus
Der wahre Knackpunkt sowohl für die Zulässigkeit des Shutdowns, der weiteren beschränkenden Maßnahmen, verhängten Strafen und auch der Frage der Verhängung der Untersuchungshaft für Quarantäne-Verletzer liegt in der Bewertung der Gefährlichkeit des Virus. Mehrere Gerichte in Deutschland wie das Verfassungsgericht im Saarland oder das Landesverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen bewerteten den Lockdown aufgrund der mangelnden Gefährlichkeit als rechtswidrig und überschießend, da die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben sei.
Die Bundesregierung ignoriert weiterhin beharrlich, dass sich die Gefährlichkeit des Virus als nicht so dramatisch herausstellte, wie es zu Beginn dieses Jahres aussah bzw. möglich erschien. Durch Einhaltung von gewissen Regeln kann man sich sehr gut vor dem Virus schützen, wobei dies besonders die gefährdete Gruppe der Älteren und Personen mit Vorerkrankungen in Eigenverantwortung tun sollten.
Wie gefährlich ist Corona im „dummen“ Vergleich mit der Grippe?
Obwohl die fehlende Aggressivität des Virus eigentlich eine gute Nachricht wäre, hält die Regierung an ihrer Angst- und Panikstrategie fest. Wegen ganz geringer Fallzahlen wurden und werden exzessive Grundrechtsbeschränkungen verhängt, welche nur aufgrund der Panikmache weitgehend akzeptiert werden. Dabei thematisiert niemand die jährlichen Influenzatoten zwischen 1.500 und 4.000 jährlich allein in Österreich (weil dieser Vergleich ja dumm ist) oder wer weiß schon, wer auf der Straße mit Tuberkolose herumläuft und so manchen ansteckt? Wer denkt an die circa 20.000 Krebstoten im Jahr in Österreich? Krebs ist nicht ansteckend, doch es geht um die Relation.
Infektionszahlen gingen schon zu Beginn des Lockdowns zurück
An Corona sind seit dem Auftauchen vor rund einem halben Jahr um die 700 Personen verstorben, in fast allen Fällen sehr betagte Menschen und Menschen mit ernsthaften Vorerkrankungen; hier kann man mit gezielten Maßnahmen ansetzen. In Deutschland gestand sogar das Robert-Koch-Institut ein, dass die Fallzahlen zum Zeitpunkt des Lockdowns bereits zurückgingen. Es war also nicht der für die Wirtschaft katastrophale Shutdown, welcher die Ausbreitung in großem Stil vermied, sondern die mangelnde Aggressivität des Virus.
Es wird in diesen Tagen wieder mit dem Anstieg von Infiziertenzahlen argumentiert, welche nichts über einen Ausbruch der Krankheit aussagen. Am heutigen Tag sind laut veröffentlichten Zahlen 16 Corona-Patienten in Österreich auf der Intensivstation und die Bundesregierung befasst sich ausschließlich mit der Abwehr der zweiten Welle. Das entbehrt jeder Logik.
Auch Geldstrafen meist rechtswidrig
Im konkreten Zusammenhang bedeutet dies, dass mit den vorliegenden Corona-Zahlen sich auch das E-Mail der Staatsanwaltschaft Linz nicht im geringsten rechtfertigen lässt. Die Untersuchungshaft für vollkommen Unbescholtene zu verhängen, wäre ein klarer Rechtsbruch und widerspricht unseren fundamentalen Rechtsgrundsätzen; genauso wie die vielen, hohen Geldstrafen, welche in niederträchtiger Weise gegen unbescholtene Bürger – Pensionisten oder arglose Jugendliche, welche den Abstand nicht einhielten – verhängt wurden.
Gerade angesichts der bevorstehenden neuerlichen Verschärfungen durch Kurz und Co. ist Wachsamkeit weiterhin geboten. Die FPÖ-Petition „Allianz gegen den Corona-Wahnsinn“ plädiert für gezielten Schutz statt eines neuerlichen Lockdowns und anderer pauschaler und vielfach grundrechtswidriger Maßnahmen.
Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin und seit 2017 Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Im Freiheitlichen Parlamentsklub ist sie Obmannstellvertreterin und für die Bereiche Verfassung, Menschenrechte und Geschäftsordnung verantwortlich. Zudem vertritt sie die FPÖ im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Fürst schreibt für unzensuriert regelmäßig die Kolumne „Rechtsansicht“.