Die Erfahrungen der letzten Tage haben gezeigt, dass die Europäische Union nicht nur gespalten, sondern ein Phantom ist.
Das sagt der Erzbischof Giampaolo Crepaldi, Bischof von Triest und emeritierter Vorsitzende des “International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church” (Kardinal-Van-Thuan-Beobachtungsstelle für die Soziallehre der Kirche). Er veröffentlichte nun ein Dokument über die Coronavirus-Krise. Darin stellt er „den Tod der Europäischen Union durch das Coronavirus“ fest.
Währungsabwertung nicht möglich
Zu den politischen Auffangmaßnahmen sagt Crepaldi, der zu den herausragenden Vertretern der katholischen Soziallehre gehört:
Italien ist isoliert und wurde alleingelassen. Die Europäische Kommission hat spät und die Europäische Zentralbank schlecht interveniert. Die Ressourcen, die Italien zur Bewältigung der Notsituation benötigt, die zu anderen Zeiten beispielsweise mit der Abwertung der Währung verbunden gewesen wären, hängen jetzt von den Entscheidungen der Union ab, denen wir uns beugen müssen.
Laut Crepaldi habe das Coronavirus „definitiv die Künstlichkeit“ der EU aufgedeckt. Sie sei nicht in der Lage, in der Not die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu erreichen, denen sie sich durch Souveränitätstransfer übergestülpt hat.
Besonders erzürnt ist man in Italien, dass die EU zwar der Volksrepublik China in Wuhan zu Hilfe kam, nicht aber dem EU-Mitglied am Po. Erst spät signalisierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Chefin Christine Lagarde Entgegenkommen – vor allem aber mit Worten. „Das werden wir nicht vergessen“, sagte der ehemalige italienische Innenminister und Oppositionsführer Matteo Salvini (Lega).
Statt moralischem, nur institutioneller Kitt
Das Fehlen des „moralischen Kitts“ würde durch den institutionellen und politischen Kitt nicht kompensiert, so der Bischof. Und damit kommt Crepaldi zur Kernaussage:
Dieses unrühmliche Ende der Europäischen Union durch das Coronavirus ist zur Kenntnis zu nehmen.