In den letzten Tagen und Wochen – wie immer im April oder Mai – erhielten viele Wiener Haushalte die Jahresabrechnungen der Wien Energie, des ausgegliederten Unternehmens der Gemeinde Wien für Strom, Gas und Fernwärme.
Der kalte Winter hatte es offenbar in sich, trotz angeblicher Tarifsenkung. Beim Studium des Kleingedruckten mussten viele Kunden erkennen, dass der Zählerstand bei Gas oder Storm gar nicht abgelesen, sondern "geschätzt" wurde.
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Laut Regulierungsbehörde e-Control dürfen Energieversorgungsunternehmen bis zu drei Jahre lang den Verbrauch ihrer Kunden schätzen. Wenn jedoch jemand Einspruch gegen die solcherart ermittelte Rechnung erhebe, werde sie meistens korrigiert.
"Irrtümlich größtenteils keine Ablesungen"
Mit diesem "Wissen im Köcher" sowie mit den aktuellen Zählerständen von Strom und Gas wandten wir uns an die Hotline der Wien Energie. Nach Bekanntgabe der Zählerstände räumte die freundliche Dame ein, es sei nur geschätzt worden, nachdem "irrtümlich größtenteils keine Ablesungen stattfanden". Die Rechnung wird nun vom Unternehmen storniert, nicht abgebucht und neu erstellt.
Wien-Energie-Pressessprecher Christian Ammer teilte Unzensuriert.at mit, dass etwa 25 Prozent der Wiener Haushalte ihre Rechnung auf Basis einer Schätzung erhalten hätten. Der Anteil wirkt noch höher, wenn man bedenkt, dass sehr viele Strom- und Gaszähler auch ohne Anwesenheit des Kunden für das Unternehmen zugänglich sind, weil sie sich etwa in eigenen Zählerräumen und nicht in der Wohnung befinden.
Keine pauschalen Erhöhungen der Vorjahresrechnungen
Die Wien Energie beteuert jedoch, einmal im Jahr an sämtliche Kunden mit dem Wunsch nach Ablesung heranzutreten – durch einen Hausaushang oder auch durch die Zusendung einer Karte zum Selbstablesen. Dass viele Kunden nun nachzahlen müssen, obwohl gar nicht abgelesen wurde, liege daran, dass durch den kalten Winter erfahrungsgemäß höhere Heizkosten angefallen seien. Es gebe jedoch keine pauschale Erhöhung sämtlicher Vorjahrsrechnungen, sondern einen Algorithmus, der das Nutzverhalten und die konsumierten Leistungen eines jeden Kunden berücksichtige, versichert die Wien Energie.
Deimek fordert Preisregulierung: "Privatkunden sind Melkkühe!"
Für FPÖ-Konsumentensprecher Gerhard Deimek handelt es sich bei den geschätzten Rechnungen dennoch um eine „üble Praxis“. Er empfiehlt allen betroffenen Kunden, Einspruch zu erheben. Deimek kritisiert überdies, dass die Preise für Strom und Gas im Jahr 2009 in Österreich weiter gestiegen sind, während sie im EU-Durchschnitt teils deutlich zurückgingen. Er macht sich daher für eine Preisregulierung durch eine paritätische Kommission stark, zumal die Energieversorger die Privatkunden als Melkkühe betrachten und Preissenkungen nur an Großkunden weitergeben würden.