Ende April übermittelte das Bundeskanzleramt eine umfangreiche Anfragebeantwortung zu Orden und Ehrenzeichen an in- und ausländische Persönlichkeiten. Auf insgesamt 2035 Seiten werden über 60.000 Orden- und Ehrenzeichenverleihungen angeführt. Bei parlamentarischen Anfragen, die von Regierungsmitgliedern unter Wahrheitspflicht gegenüber dem österreichischen Parlament und seinen Abgeordneten beantwortet werden müssen, geht man davon aus, dass die Inhalte vollständig sind und der Wahrheit entsprechen. Dies scheint aber nicht immer der Fall zu sein. Beim ersten Durchforsten der Liste fällt aus, dass ein Ehrenzeichen an den ehemaligen kommunistischen Diktator von Jugoslawien, Josip Broz alias Tito, einfach "unterschlagen" wurde.
Tito erhielt 1967 Orden durch Österreich
Ausgerechnet in der Ära der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus (1966 bis 1970) erhielt der kommunistische Diktator den Groß-Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. Auch in Deutschland wurde Tito seinerzeit geehrt. Der Vertriebenenverband der Donauschwaben in der BRD forderte bereits 2011 die Aberkennung des Ordens. Auch die Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft (DAG) in Österreich nahm im Februar 2011 zum Ehrungsunwesen gegenüber Tito Stellung. Sie bezog sich damit auf Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte, die eindeutig belegten, dass Tito die Verantwortung für den Völkermord an der altösterreichisch-deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg trage.
Unter seinem [Titos] Befehl und unter seinem Namen kamen in den jugoslawischen Vernichtungslagern mindestens 60.000 Donauschwaben und 10.000 Deutsch-Untersteirer und Gottscheer ums Leben. […] Wir fordern daher die verantwortlichen Stellen in der Republik Österreich auf, den 1965 verliehenen Verdienstorden posthum abzuerkennen.
Neuerliche parlamentarische Anfrage zur Causa Tito
Unabhängig von der weiterhin aufrechten Forderung nach einer Aberkennung des Tito-Ordens werden Orden- und Ehrenzeichenverleihungen noch länger das österreichische Parlament beschäftigen. So wird hinterfragt, warum diese seinerzeitige Ehrung in den Aufzeichnungen des Bundeskanzleramtes, die ans Parlament übermittelt wurden, fehlt. Insbesondere ist für die Parlamentarier von Interesse, ob man auch andere Diktatoren, die durch die Republik Österreich ausgezeichnet worden waren, der Öffentlichkeit verschweigen möchte.