Das Wiener Wahlrecht in seiner derzeitigen Form stärkt die Mehrheitsfraktion, weil sie selbst dann, wenn sie nur etwa 45 Prozent an Wählerstimmen hat, die absolute Mehrheit an Mandaten im Stadtparlament erhält. Nutznießer ist die SPÖ. Die damaligen Oppositionsparteien FPÖ, ÖVP und Grüne verpflichteten sich am 4. Mai 2010 in einem Notariatsakt, für eine Wahlrechtsreform zu kämpfen, die sicherstellt, dass 50 Prozent an erreichten Stimmen auch 50 der insgesamt 100 Mandatssitze im Gemeinderat entsprechen.
Die Grünen hielten den Pakt jedoch nicht ein und verhandelten mit ihrem Koalitionspartner SPÖ ein neues Wahlrecht, das jüngsten Medienberichten zu Folge noch im September oder Oktober dieses Jahres beschlossen werden soll. Allerdings dürfte diese Reform weiterhin die SPÖ begünstigen.
SPÖ will mehrheitsfördernde Komponente
Demnach müssten die Sozialdemokraten statt 45 Prozent künftig 47 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, um über 50 der insgesamt 100 Mandate zu bekommen. Nach welcher Stärke die Mandate zugeteilt werden, wird allerdings noch verhandelt. Doch SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker ließ offen durchklingen, dass die SPÖ an ihrem für sie günstigen Wahlrecht hänge. Die SPÖ wolle dem bestehenden Wahlrecht, “das eine gewisse mehrheitsfördernde Komponente hat”, möglichst nahe bleiben. Das Regieren sei schlicht einfacher, wenn große Parteien zusammenarbeiten oder gar alleine regieren können.
Kritik von Opposition: Grüne sind umgefallen
Die Opposition übt heftige Kritik. Vor allem die Grünen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, umgefallen zu sein. Der Grüne Klubobmann David Ellensohn gab bereits zu, dass es ein Ergebnis, wie es die Grünen zum Ziel hatten, nicht geben werde. “Sollte wirklich endlich eine koalitionäre Gesetzesvorlage kommen, so bleibt abzuwarten, wie weit die Grünen umgefallen sind und wie viel von der ursprünglichen Grünen-Willenserklärung übrig geblieben ist”, sagt Dietbert Kowarik, Verfassungssprecher der FPÖ Wien. “Jede Stimme soll gleich viel wert sein. 50 Prozent der Stimmen sollen 50 Prozent der Mandate bedeuten, nicht mehr und nicht weniger”, ergänzt FPÖ-Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus erwartet lediglich ein Reförmchen. Dass eine Partei wie die SPÖ im 21. Jahrhundert immer noch Taschenspielertricks anwende, um den Machterhalt mit allen Mitteln zu sichern, sei eine Frechheit der Sonderklasse, so der Freiheitliche. “Ich bin überzeugt, dass, egal mit welchen miesen Tricks die Genossen versuchen werden, das neue Wahlrecht zu ihren Gunsten zu verhandeln, das Wahlziel der SPÖ – die neuerliche Absolute – nicht erreicht werden wird”, sagt Gudenus. Die Grünen seien im Sitzen umgefallen, kritisierte der FPÖ-Klubobmann.