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31. Juli 2015 / 19:34 Uhr

Triumph vs. Moto Guzzi: Die Harte und die Zarte

Sie waren die Stars der „Café Racer“-Szene in den 1960/70er Jahren: die Triumph Thruxton und die Moto Guzzi 750 S3. Heute brausen ihre späten Nachfahren in fast unveränderter Optik, aber mit einem Innenleben am neuesten technischen Stand herum. Kein einfacher Spagat, aber in beiden Fällen optimal gelungen. Unzensuriert.at hat die beiden Motorräder getestet.

Die Harte

Wer die klassische Thruxton – eine sportliche, schnörkellose Modifikation der legendären Bonneville – kennt, wird heuer besonders angetan sein: Das Modell 2015 erscheint in einer detailverliebten Sonderversion, der „Thruxton Ace Special Edition“: weißer Lack, schwarzer Rahmen, Seitendeckel und Motorblock, ebenso schwarze Speichenräder und Kotflügel, abnehmbare, hintere Sitzbank-Abdeckung, schwarz-weißer Racingstreifen am Tank und rundherum das Logo des berühmten „Ace Café“ London, wo sich bevorzugt Liebhaber von Rock’n Roll, schnellen Autos, schweren Brummern und Motorrädern treffen. Ein echter „Café Racer“ eben.

Hat man sich demütig am gelungenen Design sattgesehen, heißt es aufsteigen und starten. Zunächst eine Enttäuschung: zu leise. Doch kaum ist der Motor warmgelaufen und ein wenig auf Touren gebracht, poltert die Thruxton schon ziemlich standesgemäß daher. Wie eine Motorsynphonie klingt das Nachblubbern beim Gaswegnehmen. Der nach außen hin ganz antik anmutende Zweizylinder-Motor samt Tchoker ist allerdings längst mit einem modernen Innenleben versehen – acht Ventile, zwei obenliegende Nockenwellen, zwei Ausgleichswellen und ein computerprogrammiertes Steuergerät für die Kraftstoffeinspritzung sorgen für möglichst wenig Emissionen und gleichmäßige Gasannahme.

Lange „Zweite“

Tatsächlich reißt das Gefährt, kaum hat man die Kupplung losgelassen, gleich von unten her ordentlich an, was mit einem Drehmoment von 68 Nm keine Kunst ist. Es kommt einem auch so vor, als ließe sich der Motor „ewig“ hochdrehen (tatsächlich bis fast 10.000 U/min). Eindeutig ein Gefährt für Schaltfaule. Mit der zweiten kann man sowohl wegfahren als auch (legale) Autobahngeschwindigkeit erreichen.

Wen die einfachen Bremsscheiben vorne skeptisch stimmten, der wird bald eines Besseren belehrt. Vorder- wie Hinterbremse arbeiten unerwartet präzise und effektvoll. Für Triumph-Neulinge ein Mysterium: Wie bekomme ich den Tankdeckel auf? Kein Schlüssel, nix – und nach kurzem Drehen ein harter Widerstand. Ganz einfach: Widerstand ignorieren und weiter kräftig nach links drehen – schon ist er offen.

Gasgeben tut weh

Natürlich ist ein „Café Racer“ kein Kilometerfresser für die Autobahn. Der niedrige Lenker und die nach vorne gebückte Sitzposition lassen fast das gesamt Körpergewicht auf den Handgelenken ruhen. Besonders das rechte schmerzt vom Gasgeben recht bald, zumal es auch keine Entlastung durch den Knieschluss am Tank gibt, denn die Knie liegen genau neben dem – eigens mit Metallschienen gegen Hitze abgeschirmten – Motorblock. Bei kälteren Temperaturen kein Nachteil.

Wirklich negativ bewerten kann man nur den Seitenständer, der sich nur mit deutlicher Kraftanwendung nach vorne biegen lässt. Das lässige Stehenbleiben, Abkippen und Absteigen in einem Arbeitsgang vor dem Café-Schanigarten wird dadurch erheblich erschwert. Es empfiehlt sich also ein Abstieg mit der rechten Seite zum Publikum.

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Die Zarte

Auch die Guzzi läßt einen aufgrund der nostalgischen Optik zunächst in Ehrfurcht erstarren. „Endlich amoi a scheen’s Radl, is de original oder neich?“, wird man nicht selten beim Auf- oder Absteigen von Passanten gefragt. Die V7 II. wurde im Vorjahr überarbeitet und bietet im Innenleben des klassischen V2-Motors ähnliche Perfektion wie die Triumph. Tiefergelegte Fußraster und ein nach vorne gedrehter Motorblock sorgen für aufrechtere Haltung und mehr Kniefreiheit bei größeren Piloten.

Aufrecht in die Kurve

Gleich beim Start erfreut man sich am tiefen, tuckernden Klang der chromblitzenden Zwei-in-zwei-Auspuffanlage, dazu kommt das typische leichte Schlingern des V-Motors (ähnlich den BMW-Boxern), das schon nach kurzer Fahrzeit dazugehört. Die Guzzi – nicht nur die V7 – sind wohl die einzigen Maschinen, die es puncto Vibrationen mit den Harleys aufnehmen können, nur dass der V2-Motor quer statt längs eingebaut ist.

Die aufrechte Sitzposition ist wesentlich bequemer als bei der Thruxton, Kurven, Auto-Kolonnen oder Parklücken lassen sich enorm präzise ansteuern. Ein großes Moped, könnte man meinen. Bei kaum einer anderen Marke rasten auch die Gänge so satt und unhörbar ein wie bei den Guzzi. Kein Klacken und Rucken wie in vergleichbaren Maschinen.

So wie die Triumph ist auch die V7 eine „Nackerte“, bietet also kaum Schutz bei Wind und Wetter. Immerhin sorgen die V-Zylinder bei kühlerem Wetter für warme Knie. Beim heurigen Modell „Stone“ mit aufgerauhtem Motorblock findet sich zudem so manch nostalgisches Detail – etwa die anachronistische „Gummi-Ziehharmonika“ an den vorderen Stoßdämpfern. Oder die verchromten hinteren Paralleldämpfer, die ihre Arbeit ein wenig sanfter verrichten als ihre Kollegen bei der brettlharten Triumph.

Gummi am Chrom

Was leider stört, ist die gedrosselte Leistung von nur 48 PS; ein Zugeständnis an die jungen A2-Führerscheinbesitzer. Honda baute vergleichsweise bereits Ende der 1970er-Jahre 750er-Serienmodelle mit 87 PS. Vor allem mit Beifahrer ist die Guzzi keine wirkliche Sensation, weil einfach zu schwach. Beim einzigen echten Konstruktionsfehler ist sie allerdings mit der Triumph vereint: Auch hier ist der Seitenständer ein Problem. Er läßt sich zwar leichter nach vorne holen als bei der Thruxton, allerdings geht dies kaum, ohne mit den Stiefeln den linken Auspuff zu streifen und schwarzen Gummi am glänzenden Chrom zu hinterlassen.

Für jene, denen die „normale“ V7 zu zart erscheint, bietet Moto Guzzi (Vertrieb: J. Faber, 1230 Wien) die optisch besonders gelungene V7 „Racer“ an – ein Bilderbuch-Café Racer mit verchromtem Tank samt geprägtem Leder-Streifen, Holmhagel-Lenker, Höckersitzbank, rotem Rahmen, Speichenrädern und Startnummer vorne und hinten. Ein echter Blickfang, der mit 10.999 Euro allerdings um zwei Tausender mehr kostet als die V7.

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Beschämend übrigens, wie teuer umweltfreundliche Zweiräder aufgrund extremer Steuerbelastung hierzulande im Vergleich zu Deutschland sind (siehe unten). Eine Diskussion, die wir aber noch einmal separat führen werden.

Technische Daten:

Triumph Thruxton Ace 900:

  • Zweizylinder-Parallel-Twin
  • 865 ccm
  • 69 PS
  • 5 Gang, Kette
  • Sitzhöhe: 820 mm
  • Gewicht 230 Kilo (fahrbereit)
  • Preis: 11.590 Euro (Deutschland: 10.140 Euro)

Moto Guzzi V7 II. „Stone“

  • V-Zweizylinder
  • 744 ccm
  • 48 PS
  • 6 Gang, Kardan
  • Sitzhöhe: 805 mm
  • Gewicht: 190 Kilo (fahrbereit)
  • Preis: 8.999 Euro (Deutschland: 8.800 Euro)

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