Es entsprach der bisherigen Gepflogenheit, dass bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags im Berliner Reichstag der älteste Abgeordnete – egal, von welcher Fraktion er stammte – zum Alterspräsidenten gewählt wurde und dieser dann die Sitzung eröffnete. Bisher. Denn diesmal hätte es ein AfD-Abgeordneter sein sollen, dem diese Ehre zuteil geworden wäre. Doch die anderen Parteien haben dafür gesorgt, dass es nicht dazu kam.
Mediale Empörung über “Nazi-Vergleich”
Nun herrscht – vor allem mediale – Empörung. Aber nicht über die Ausgrenzung der AfD durch die anderen Parteien, was der eigentliche Skandal ist. Sondern darüber, dass der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann der CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen einen Spiegel vorhielt und meinte:
1933 hat Göring die Regel gebrochen, dass der älteste Abgeordnete Alterspräsident wird, weil er politische Gegner ausgrenzen wollte – damals Clara Zetkin.
Diese Aussage saß. Denn der damalige Reichstagspräsident Hermann Göring hatte tatsächlich die Regelung, dass der älteste Abgeordnete als Alterspräsident die Sitzung eröffnet, außer Kraft gesetzt. Und nun passierte genau das wieder, rein aus dem Kalkül heraus, die AfD zu verunglimpfen und sie auszugrenzen.
“Beklemmender Moment”, “Geschmacklosigkeit”
Dass den etablierten Parteien der Spiegel vorgehalten wurde, passte den Altpolitikern überhaupt nicht, weshalb man der AfD gleich vorwarf, einen ungeheuerlichen Nazi-Vergleich gezogen zu haben. SPD-Chef Martin Schulz sprach von einem “beklemmenden Moment”, die FDP nannte die Wortmeldung eine “Geschmacklosigkeit” und der Grün-Abgeordnete Jürgen Trettin griff gleich zu Nazikeule:
Wir sind mit einer Fraktion konfrontiert, die sich heute nicht mal entblödet hat, sich in eine Reihe zu stellen mit den Opfern des Nationalsozialismus.
Kein Verlgeich mit Opfern des Nationalsozialismus
Baumann wies diese Kritik gegenüber dem Sender Phoenix zurück: “Wir haben mit den Opfern des Nationalsozialismus uns nicht zu vergleichen, das tun wir auch nicht.” Die AfD erlebe aber eine gewisse Ausgrenzung.
Der Bundestag hatte erst im Sommer festgelegt, dass künftig der Abgeordnete mit der längsten Zugehörigkeit zum Parlament Alterspräsident wird und nicht wie bisher der älteste Abgeordnete. Innenpolitik-Experten nannten diese Neuregelung schon damals eine Lex AfD, weil die etablierten Parteien befürchten mussten, dass die AfD in den Bundestag einzieht.
Wenig überraschend stimmten die Parteien dann auch gegen den AfD-Abgeordneten Albrecht Glaser, der von der AfD als Bundestagsvizepräsident von Wolfgang Schäuble (CDU) nominiert wurde. Da ging die offensichtliche Ausgrenzung demokratisch gewählter Mandatare gleich munter weiter.