Der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) glänzt mit Unwissenheit in Sachen Familienbeihilfe und legt noch einmal nach.

18. Feber 2019 / 23:00 Uhr

Familienbeihilfe: SPÖ-Androsch bleibt bei seiner Falschmeldung

Unzensuriert.at wurde auf einen Beitrag in der Presse vom 22. August 2016 aufmerksam. In einem Interview kritisierte der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) die österreichische Familienpolitik. Wörtlich meinte er:

Aber wir setzen Abermilliarden falsch ein. Sogar bei einem Kind im Grazer SOS-Kinderdorf bekommen die leiblichen Eltern, die es seit zwölf Jahren nicht gesehen haben, Familienbeihilfe. Was bitte fördern wir da?

Karl Gaulhofer als Fragensteller ging dabei überhaupt nicht darauf ein, dass der mittlerweile über 80-jährige Androsch eine Falschmeldung von sich gab. Dies mag wohl daran liegen, dass es Gaulhofer an Sachkenntnis mangelt. Dass Eltern, die ihre Kinder nicht selbst betreuen, eine Familienbeihilfe erhalten, ist faktisch unmöglich. Eltern haben nur dann einen Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn sie die überwiegenden Unterhaltskosten tragen.

Das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) besagt:

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Ginge man davon aus, dass die Betreuung pro Kind 80 Euro am Tag kostet (in Wiener Krisenzentren ist das durchaus der Fall), so sind das bei 30 Tagen im Monat 2.400 Euro. Die Summe wird von der öffentlichen Hand getragen. Eltern werden im Zuge eines Regresses verpflichtet, die Kosten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse teilweise oder ganz abzudecken.

Ginge man davon aus, dass die Kinder Wochenendausgänge zu den Eltern haben, so vermindert sich freilich die Summe der Unterhaltskosten. Im Monat könnten das bei vier Wochen acht Tage sein. Das heißt, dass sich die Unterhaltskosten für das Kind um 320 Euro vermindern könnten. Als Unterhaltskosten würden dennoch 2.080 Euro anfallen. Die Eltern müssten mehr als 1.000 Euro bezahlen, damit sie die überwiegenden Kosten tragen – pro Kind! Jene, die das nicht können, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Familienbeihilfe wird aber auch nicht an den Träger bezahlt, der die Kinder betreut.

Lediglich, wenn Kinder sich in Anstaltspflege befinden, haben Eltern eine reale Chance, eine Familienbeihilfe zu erhalten, weil hier im Gesetz von einer fiktiven Haushaltszugehörigkeit ausgegangen wird.

Das FLAG besagt:

5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Was bei den betroffenen Eltern, die Androsch erwähnte, der Fall war, scheint fraglich. Weder dem SOS-Kinderdorf noch dem Familienministerium ist zu den Ausführungen des Ex-Ministers etwas bekannt.

Androsch reagiert auf Anfrage

Von der AIC Androsch International Management Consulting GmbH gab es eine Reaktion:

Nachstehend übermittle ich Ihnen die Antwort von Herrn Dr. Androsch:

Die im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Förderung durch den Familienlastenausgleichsfonds in Höhe von 8,5 Mrd. Euro sowie die diesbezüglich ausgerichteten Steuerbegünstigungen, wie zuletzt der sogenannte steuerliche Familienbonus, sind monetäre Unterstützungen für die Eltern, aber nicht notwendigerweise auch eine Unterstützung für die Kinder. Für eine solche würde es sehr viel mehr an Sachleistungen bedürfen. Was die steuerlichen Begünstigungen anlangt, so fördern sie nur die Ungleichheit, weil die Einkommensschwächsten dabei leer ausgehen. Besonders krass ist die Situation für Kinder in Fremdbetreuung. Die Unterstützungen bekommen die Eltern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, anstatt dass die Fremdbetreuung diese Unterstützungen erhalten und damit den Kindern zugutekommen würden. Das ist ein noch größerer Unfug als die oben angeführten grundsätzlichen Beispiele.

Androsch wiederholt somit seine Falschmeldung und legt dabei nochmals nach. Androsch würde sogar wollen, dass die Fremdbetreuungseinrichtungen die Familienbeihilfe erhalten, obwohl diese von der öffentlichen Hand bezahlt werden. Es würde lediglich eine Umverteilung stattfinden.

Vom SOS-Kinderdorf allerdings heißt es, dass es, um die Beziehung zwischen Kindern und ihren Eltern zu fördern und die Familie zu stabilisieren, durchaus Sinn machen würde, die Familienbeihilfe weiterhin an Eltern auszuzahlen, auch wenn ihre Kinder gerade nicht dauerhaft bei ihnen wohnen können. Ziel der Kinder- und Jugendhilfe sei es per Gesetz, dass die Kinder auf lange Sicht wieder zu ihrer Familie zurückkehren können. “Daran arbeiten wir gemeinsam”, wird betont.

Sicher scheint jedenfalls, dass Androsch nicht die geringste Ahnung davon hat, unter welchen Voraussetzungen die Familienbeihilfe und die damit verbundenen Leistungen bezahlt werden. In seinem Interview gab er auch einen anderen Satz von sich.

Offenbar gibt es in wichtigen politischen Kreisen ein unglaubliches intellektuelles Defizit.

Ja, das stimmt wohl in der Tat! Wenngleich Androsch noch nicht erkannt haben dürfte, dass sein Zitat gerade auf ihn selbst am besten passt.

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