Parlament

Die Verlierer-Ampel brauchte eine Zweidrittelmehrheit für das neue Gesetz – und fand sie auf der linken Seite der Macht.

12. Dezember 2025 / 08:27 Uhr

Günstiger‑Strom‑Gesetz im Nationalrat: Billig ist vor allem der Name 

Mit großer Mehrheit hat der Nationalrat das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) beschlossen – offiziell als „Günstiger‑Strom‑Gesetz“, von der ÖVP stolz zum „Billigstromgesetz“ geadelt. In der ZIB2 wurde über das beschlossene Gesetz berichtet, wobei keinerlei konkrete Verbilligungen für Endkunden genannt werden konnten.

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Neuer Rechtsrahmen für einen alten Markt 

Während die Regierung von dauerhaft sinkenden Strompreisen spricht, warnen die Freiheitlichen vor einer „Mogelpackung“ und einer „massiven Kostenlawine“. 

Kern des Pakets ist eine umfassende Neuordnung des österreichischen Strommarkts. Der bisherige Rechtsrahmen ist 14 Jahre alt – in einer Zeit entstanden, als Photovoltaik auf Einfamilienhäusern und Energiegemeinschaften noch Nischenphänomene waren. 

Getrieben von der Klimalobby

Die Regierung argumentiert, der „starke Wandel des Elektrizitätsmarkts“ durch erneuerbare Energien – nicht von den Bürgern, sondern von der Politik getrieben – verlange nach einem modernen Elektrizitätsrecht, das System‑ und Kosteneffizienz, Versorgungssicherheit und Wettbewerb besser verbindet. 

Verankert wird deshalb das Ziel der Klimaneutralität 2040. Der Netzausbau soll beschleunigt, neue Marktrollen wie der „aktive Kunde“ gestärkt werden. Kleine Einspeiser bis 20 kW werden von einem künftigen Versorgungsinfrastrukturbeitrag ausgenommen, größere Einspeiser zahlen ab 2027 bis zu 0,05 Cent pro eingespeister Kilowattstunde. 

Sozialtarif als Zugeständnis 

Politisch heikel war der soziale Teil des Pakets. Ein neuer Sozialtarif soll rund 290.000 Haushalte entlasten – etwa Mindestpensionisten, Arbeitslose und Bezieher von Notstandshilfe. Laut SPÖ bringe das einem Mindestpensionisten „rund 300 Euro an jährlicher Entlastung“. 

Finanziert werden soll der Tarif von den Energieversorgern. Die Regierung spricht von gezielter Unterstützung für die Schwächsten, die FPÖ von einer versteckten Umverteilung auf Kosten der übrigen Kunden. 

Auch FPÖ für Sozialtarif-Bestimmungen

Trotz scharfer Kritik stimmte die FPÖ den Sozialtarif-Bestimmungen zu, um „die sozial Schwachen … nicht im Stich lassen“ zu müssen, wie Generalsekretär Christian Hafenecker betonte. Das restliche Paket lehnten die Freiheitlichen geschlossen ab. 

Koalition sucht Zweidrittelmehrheit – und findet sie links der FPÖ 

Für das ElWG war eine Zweidrittelmehrheit nötig. Nach mehreren Gesprächsrunden mit der FPÖ wandte sich die Regierung schließlich den Grünen zu. Ein Abänderungsantrag, der zentrale Forderungen der Grünen – etwa eine Nachschärfung beim Sozialtarif – aufnahm, sicherte am Ende die verfassungsrechtlich erforderliche Mehrheit. 

Hafenecker spricht von einem „faulen Kompromiss zu Lasten der Österreicher“ und einem „Verrat am Bürger“. Die Regierung habe „ehrliche Verhandlungen“ abgebrochen, um „mit einem schmutzigen Deal die Zustimmung der Grünen zu erkaufen“. 

Schwarze Worthülsen

Die ÖVP kontert mit Attacken auf die Freiheitlichen. Generalsekretär Nico Marchetti bezeichnet das Gesetz als „historischen Systemwechsel“ und hält der FPÖ vor, deren Spitzen würden „lieber auf Steuerzahlerkosten durch die Welt jetten, anstatt ernsthaft über Entlastungen … zu verhandeln“. 

Regierung: „größte Strommarktreform“

In der Selbstdarstellung der Regierung ist das Bild glänzend. Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) spricht von der „größten Strommarktreform der letzten 20 Jahre“ und einem Auftakt für weitere Energiereformen. 

Marchetti legt die Latte noch höher: „Mit dem Billigstromgesetz senken wir effektiv und dauerhaft die Strompreise in Österreich. Die Maßnahmen sind nichts Geringeres als die größte Strommarktreform der letzten 20 Jahre. … Das ist ein historischer Systemwechsel und ein Sieg für alle Haushalte und Betriebe.“ 

Seltsame Wortkreationen

Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer beschreibt drei große Säulen: ein „Kosten‑runter‑Paket“ für sinkende Strompreise, Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort und ein „neues Betriebssystem“ für das Stromnetz, das fairer, digitaler und gerechter werden soll. 

SPÖ und Neos: Modernisierung mit sozialer Note 

SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll spricht von einem „Paradigmenwechsel in der Architektur des österreichischen Strommarktes“. Mit dem Beschluss starte „ein neuer, fairerer, sozialerer und modernerer Abschnitt am Strommarkt“. Der Sozialtarif garantiere niedrige Preise „für jene Menschen, die am dringendsten Unterstützung benötigten“, meint sein Parteikollege Reinhold Binder. 

Die Neos wiederum betonen den Systemwechsel hin zu einem erneuerbaren, dezentralen und digitalen Energiemarkt. Nationalratsabgeordnete Karin Doppelbauer sieht in der Reform eine längst fällige Anpassung, die „mehr Wettbewerb, mehr Planungs- und Kosteneffizienz beim Netzausbau sowie mehr Speicher bringen“ soll. 

Grüne: neues Betriebssystem, aber kein Strompreis-Wunder 

Interessant ist, dass ausgerechnet die Grünen, die für die Zweidrittelmehrheit entscheidend waren, die Erwartungen an die Preiswirkung bremsen – und damit unfreiwillig die Kritik am Gesetzestitel nähren. 

Ex-Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nennt das alte Elektrizitätswirtschaftsgesetz „heillos überaltert“, lobt die neuen „dynamischen, flexiblen und digitalen Regeln“ und die Korrektur ursprünglich geplanter Einspeisetarife.

Selbst Grüne erkennen den Schwindel

Zugleich stellt sie aber klar, das Gesetz werde „die Stromrechnung nicht senken“. Grünen-Abgeordneter Lukas Hammer spricht davon, dem Gesetz seien „die Giftzähne“ gezogen worden, es bringe ein „neues Betriebssystem für den Strommarkt“, werde Strom aber nicht „billiger zaubern“. 

Damit steht im Raum: Das „Günstiger‑Strom‑Gesetz“ heißt zwar so, ist aber – nach Einschätzung sogar der zustimmenden Grünen – nicht in der Lage, Strompreise wirklich zu senken. 

FPÖ: „Mogelpackung“, „brutale Abzocke“ und Kostenlawine 

Die FPÖ spricht diese Widersprüche aus. Schon in den Debatten im Nationalrat war vom „sogenannten Günstiger‑Strom‑Gesetz“ die Rede, das die Freiheitlichen als „Mogelpackung“ und „Verrat an der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Industrie“ bezeichnen. 

In einer gemeinsamen Aussendung sprechen Hafenecker, Kassegger und Hammerl vom „dreisten Etikettenschwindel“ und von einer „brutalen Abzocke der eigenen Bevölkerung“. Hafenecker formuliert es so:

Dieses Gesetz ist eine Mogelpackung. Die Regierung verspricht billigeren Strom, liefert aber in Wahrheit eine Kostenexplosion frei Haus.

Kritik am Klimawahn

Im Zentrum der freiheitlichen Kritik stehen die im Gesetz verankerten Klimaziele und der dafür notwendige Netzausbau. Kassegger verweist auf ein Investitionsvolumen von rund 50 Milliarden Euro bis 2040 und warnt, damit werde sich „die Netzrechnung für jeden einzelnen Haushalt verdreifachen“. 

Hammerl rechnet in einem „Faktencheck“ vor, was aus seiner Sicht schief läuft: „Wo Billigstrom draufsteht, muss auch Billigstrom drin sein.“ Die Netzkostenbremse sei „nichts anderes als das eigene Geld der Bürger, das man ihnen jetzt scheibchenweise zurückgibt“. Sechs Millionen Menschen ohne Photovoltaikanlage würden zur Kasse gebeten, während die „Windkraft‑Lobby“ juble. 

Billig im Titel, teuer im Versprechen

Zwischen Regierungsjubel und Oppositionsalarm bleibt der Gesetzestitel als Symbol für das zentrale Problem moderner Politik zurück: Der Strommarkt soll gleichzeitig sicherer, grüner, digitaler und sozialer werden – und bitteschön auch noch günstiger. Und weil man wohl selbst nicht daran glaubt, verpasst man dem Gesetz einen beschwörenden, aber albernen Namen. 

Dass die Regierung ihr Paket albern „Günstiger‑Strom‑Gesetz“ oder „Billigstromgesetz“ nennt, während die Grünen Steigbügelhalter offen einräumen, das Gesetz allein werde die Stromrechnung nicht senken, unterstreicht die Diskrepanz zwischen Marketing und Wirklichkeit.  

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