Die Europäische Union zieht vorerst die Notbremse: Die verpflichtende Chatkontrolle wird nicht kommen.
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Aus nach drei Jahren
Wie so oft, müssen für Überwachungsfantasien der Mächtigen berechtigte Forderungen herhalten. Um Darstellungen von Kindesmissbrauch aufzuspüren, sollten Nachrichten kontrolliert werden dürfen. Seit drei Jahren wurde darüber in der EU diskutiert. Dänemark, das derzeit den Vorsitz der EU-Rat innehat, hat den entsprechenden Passus nun aus dem verhandelten Gesetzesentwurf gestrichen.
Kompromisslösung hinter EU-Erwartungen
Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard begründete die Entscheidung mit fehlender Unterstützung innerhalb der Union – ohne diese Streichung wäre keine Einigung auf den übrigen Gesetzestext möglich gewesen.
Hummelgaard räumte ein, dass die nun gefundene Kompromisslösung hinter den Erwartungen zurückbleibe.
Hoffnung auf Ende der Überwachung
Statt einer verpflichtenden Überwachung soll die Überprüfung von Chatnachrichten weiterhin nur auf freiwilliger Basis durch Plattformen wie Facebook, WhatsApp oder Telegram erfolgen. Eine richterlich angeordnete Kontrolle wird es nicht geben.
Der dänische Minister wies darauf hin, dass nach Ablauf der derzeitigen rechtlichen Grundlage im April 2026 auch die freiwilligen Meldungen enden könnten. Das wäre dann das Ende der immer stärkeren Überwachung unbescholtener Bürger.
Widerstand gegen Massenüberwachung
Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission aus dem Jahr 2022 sah vor, sämtliche private Nachrichten automatisiert zu durchsuchen. Verdächtige Inhalte sollten an eine EU-Behörde gemeldet werden.
Der Vorschlag stieß jedoch auf massiven Widerstand. Neben der Bundesrepublik Deutschland und Österreich lehnten auch zahlreiche Datenschutzbehörden, der UN-Menschenrechtskommissar und mehr als 100 Bürgerrechtsorganisationen die Maßnahme ab. Selbst Messenger-Dienste wie Signal drohten mit einem Rückzug aus der EU.
Pinke „Doppelmoral“
Auch in Österreich wurde das Aus der EU-Chatkontrolle gefeiert. Für die Grünen und die Neos war die Entscheidung ein „Sieg für die Freiheit“ und ein „Etappensieg für unsere Grundrechte“. Österreich habe in Brüssel eine zentrale Rolle bei der Ablehnung gespielt, erklärte der grüne Abgeordnete Süleyman Zorba.
Doch die Freude währte nicht lange: FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann warf den Neos und der Bundesregierung „politische Doppelmoral“ vor. Denn während man in Brüssel die Bürgerrechte verteidige, habe man in Wien eine noch weitreichendere nationale Überwachung beschlossen.
Der „österreichische Schnüffelstaat“
Die von der schwarz-rot-pinken Regierung im Juli verabschiedete Messenger-Überwachung ermögliche Eingriffe in die Privatsphäre, die über die damaligen EU-Pläne hinausgehen.
Darmann bezeichnete die Neos daher als „Steigbügelhalter für den nationalen Schnüffelstaat“. Die nationale Regelung sehe Überwachung von Nachrichten vor, die zwar richterlich genehmigt werden müsse, aber auch auf Fälle von „verfassungsgefährdenden Aktivitäten“ ausgeweitet werden könne.
„Verrat an den Wählern“
„Während die Neos-Abgeordnete in Brüssel von einem Dämpfer für Überwachungsfantasien spricht, befeuert ihre eigene Partei diese Fantasien im Inland“, so Darmann.
Er sprach von einem „Verrat an den Wählern“ und einer „Einheitspartei der Gängelung und Überwachung“, zu der auch ÖVP und SPÖ zählen. Statt Kriminalität oder Terrorismus zu bekämpfen, würden Bürger unter Generalverdacht gestellt.
ÖVP will mehr: Der Bundestrojaner
Tatsächlich geht der ÖVP-Wunsch noch weit über die gescheiterte EU-Chatkontrolle hinaus. Die ÖVP drängt seit Jahren auf den Einsatz einer staatlichen Spionagesoftware, um Smartphones aus der Ferne überwachen zu können – ein Projekt, das früher als „Bundestrojaner“ bekannt war.
Technisch gesehen betrifft diese Überwachung nicht nur einzelne Verdächtige, sondern alle Geräte gleicher Bauart. Das bedeutet, dass jede Softwarelücke, die für den Zugriff genutzt wird, theoretisch allen Nutzern schadet – ein erhebliches Risiko für Datenschutz und IT-Sicherheit.
Verlierer-Ampel unter einer Decke
Trotz massiver Kritik von IT-Experten, Datenschützern und Bürgerrechtsorganisationen, die in rund 80 Prozent der Stellungnahmen das Projekt ablehnten, erhielt die ÖVP Unterstützung von SPÖ und Neos. Gemeinsam stimmten sie im Nationalrat für die Einführung des Bundestrojaners.
Massive Bedenken
Kritiker warnen vor einer „völlig unabhängigen Zugriffsbefugnis“ der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) auf Bürgerdaten. Die jährlichen Kosten von rund 20 Millionen Euro stünden in keinem Verhältnis zum Sicherheitsgewinn, da frühere Anschläge wie in Wien oder Villach durch die geplanten Überwachungsmaßnahmen nicht hätten verhindert werden können.
Auch der grüne Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba hält das ÖVP-Vorhaben für „verfassungsrechtlich bedenklich und technisch unausgereift“. Der Versuch, den Zugriff nur auf bestimmte Nachrichten zu beschränken, sei ein „legistisches Wunschdenken“.
EU zieht die Bremse – Österreich drückt aufs Gas
Während die Europäische Union die geplante Chatkontrolle aufgrund massiver Kritik auf Eis legt, geht Österreich mit nationalen Überwachungsinstrumenten weit darüber hinaus. Der von der ÖVP seit Jahren verfolgte Kurs zeigt: Selbst das, was Brüssel als Eingriff in die Grundrechte verworfen hat, gilt in Wien offenbar als politisches Ziel.




