Er spricht den Regierenden nicht nach dem Mund – und musste mutmaßlich deshalb jetzt eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen.
Kritik an Zuständen
Norbert Bolz, emeritierter Professor der Technischen Universität Berlin und Kommentator sowie Kolumnist unter anderem für die Zeitung Welt, hält auch in Österreich Vorträge zur immer weiter eingeschränkten Meinungsäußerungsfreiheit. Heute, Donnerstag, in der Früh wurde seine Wohnung von der Polizei durchsucht – wegen eines Beitrags auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) im Jänner:
Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!
Ein pointierter und offensichtlich ironisch gemeinter Vergleich, der sich auf einen Artikel der linken deutschen Tageszeitung taz bezogen, die die Parole „Deutschland erwacht“ selbst in einer Schlagzeile verwendet hatte.
Dezente Hinweise von Beamten
Doch nicht der Chefredakteur der taz, nein, Bolz geriet ins Visier der Behörden. Die Staatsanwaltschaft Berlin nahm Ermittlungen wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ nach §86a StGB auf – gemeint ist die Verwendung nationalsozialistischer Parolen. Die Polizei rückte an und sicherte Bolz’ elektronische Geräte sowie ein Bildschirmfoto des Postings.
Laut Bolz selbst waren die Beamten „freundlich“, hätten ihm aber nach der Durchsuchung geraten, „in Zukunft vorsichtiger zu sein, wenn er keinen weiteren Ärger wolle“ – ein Rat, der manche Beobachter erschreckend an repressive Methoden aus der DDR-Diktatur erinnert.
Stunde der Denunzianten
Die Ermittlungen waren von einer „staatsnahen Meldestelle“ an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des bundesdeutschen Bundeskriminalamts gemeldet worden, erst danach griff die Staatsanwaltschaft ein. Dabei ist das Muster beunruhigend: Privatpersonen können angebliche strafbare Inhalte an entsprechende Stellen melden, die dann oft mit bundesweiter Härte gegen die Betroffenen vorgehen.
Meinungsfreiheit in Gefahr
Experten und Medienanwälte zeigen sich entsetzt. Joachim Steinhöfel, prominenter deutscher Jurist, spricht von einem „besorgniserregenden Kontrollverlust der Strafjustiz“. Wenn ein renommierter Wissenschaftler wie Bolz wegen eines offensichtlich ironischen, kritischen Tweets eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen muss, sei das ein „Angriff auf die Meinungsfreiheit“ und ein Zeichen, dass Behörden offenbar nicht mehr zwischen zulässiger Kritik und strafbarer Propaganda unterscheiden könnten.
Disziplinierung politisch Andersdenkender
Damit entsteht ein Klima der Einschüchterung, das nicht nur den Einzelnen trifft, sondern alle kritischen Stimmen, die vom Regierungs-Narrativ abweichen: Wer nicht mitmacht, läuft Gefahr, von Polizei und Justiz sanktioniert zu werden. Wie in der DDR.
Bolz selbst fasst seine Erfahrung zusammen: „Es ist unheimlich, wenn die Realität plötzlich vor der Tür steht.“ Es bleibt die Frage, ob solche Maßnahmen in einer Demokratie wirklich angemessen sind – oder ob hier ein bedenklicher Trend zur Disziplinierung politisch andersdenkender Bürger sichtbar wird. Ein Zeichen der Diktatur.
Nicht der erste Fall
Besonders nach ähnlichen Vorfällen in jüngerer Vergangenheit – zum Beispiel einer Hausdurchsuchung bei einem Rentner, der einen Politiker in einem Meme beleidigt hatte – steht die bundesdeutsche Justiz in der Kritik, mit dem Strafrecht gezielt gegen unbequeme Meinungsäußerungen vorzugehen.