Ungarns Regierung verfolgt seit vielen Jahren eine Familienpolitik, die junge Ungarn dazu motivieren soll, Kinder zu bekommen.
Klares Bekenntnis zum eigenen Volk
Mithilfe von Steuerbefreiungen für Mütter, zinsverbilligten Wohnkrediten und dem klaren politischen Bekenntnis für eigene und gegen fremde Kinder gelang nach Einführung der Familienprogramme zunächst ein Anstieg der Geburtenrate. Im Jahr 2010 lag die Geburtenrate bei 1,21 Kinder pro Frau und war damals die niedrigste in der EU. 2022 erreichte Ungarn laut Eurostat eine Fertilitätsrate von rund 1,56, eine der höchsten in Mittel- und Osteuropa.
Doch seither sinkt die Geburtenrate wieder. Deshalb kündigte Ministerpräsident Viktor Orbán im Februar den nächsten Ausbauschritt in der Familienpolitik an.
Lebenslange Steuerbefreiung
Kernstück der jüngsten Reformwelle ist die vollständige Befreiung von der Einkommensteuer für Mütter: Seit 2020 gilt sie für Frauen mit vier oder mehr Kindern, seit dem 1. Oktober auch lebenslang für Mütter mit drei Kindern. Die Regierung plant, die Regelung bis 2029 schrittweise auf Mütter mit zwei Kindern auszuweiten.
Der pauschale Einkommensteuersatz in Ungarn liegt bei 15 Prozent – entsprechend spürbar sind die Entlastungen im Haushalt. Nach Regierungsangaben könnten bis 2029 mehr als eine Million Mütter profitieren; die Familienausgaben sollen 2026 rund fünf Prozent des BIP erreichen.
Unterstützung für Start ins Familienleben
Parallel reformierte Budapest sein seit 2015 bestehendes Wohnprogramm CSOK zur Familienwohnförderung. Unter „CSOK Plusz“ erhalten verheiratete Paare Darlehen zu drei Prozent Fixzins für Kauf, Neubau oder Ausbau – mit zehn Prozent Eigenanteil und Staffelungen je nach geplanter Kinderzahl (bis zu 50 Millionen Forint, ca. 127.400 Euro).
Kindbezogene Erleichterungen sind Teil des Pakets: Ratenpausen nach Geburten sowie Teilerlass der Restschuld (zum Beispiel zehn Millionen Forint beim zweiten und nochmals so viel beim dritten Kind).
Vergünstigte Darlehen
Flankierend wirkt das „Babaváró“-Darlehen (bis elf Millionen Forint, ca. 28.000 Euro) für junge Ehepaare: Kommt binnen fünf Jahren ein erstes Kind, bleibt der Kredit zinsfrei; bei einem zweiten Kind wird 30 Prozent der Restschuld erlassen, beim dritten die gesamte. Ohne Geburt wandelt sich das Darlehen in einen marktüblichen Kredit.
Dafür ist die Bindung an den Hauptwohnsitz nötig. Außerdem muss vertraglich zugestimmt werden, dass es zu Rückforderungen und Strafzinsen bei Vertragsverstößen, zum Beispiel bei Scheidung, Nichterreichen der Kinderzahl oder Auslandsumzug, kommt.
Eigene statt fremde Kinder
Politisch verwirklicht Orbán den Gegenentwurf zur Einwanderung, wie sie die meisten anderen europäischen Länder verfolgen.
Der Ansatz sorgt international für Resonanz. US-Milliardär Elon Musk lobte das ungarische Modell. In den USA empfahl James D. Vance vor seiner Wahl zum Vizepräsidenten, das Modell zu prüfen.
Italien folgt Ungarn
Italien erklärte bereits 2023 am Budapester Demografiegipfel, man wolle sich am ungarischen Kurs orientieren. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stellte die Familie ins Zentrum ihrer Politik und lobte Ungarns Modell als Vorbild.
Konkrete, vergleichbar weitreichende Maßnahmen wie in Ungarn sind in Italien allerdings bisher nicht umgesetzt worden; die Geburtenzahlen sanken zuletzt weiter. Ungarn ist daher das einzige Land mit einer klaren Pro-Kind-Politik in Europa.
Polen mit ähnlichem Modell
Am nächsten kommt noch Polen. Das Programm „Rodzina 800+“ sichert Familien monatlich 800 Złoty (rund 180 Euro) pro Kind – unabhängig vom Einkommen. Dazu kommen Wohnkredite mit Zinsobergrenze und seit 2022 eine Einkommensteuerbefreiung für Eltern mit vier oder mehr Kindern, fast deckungsgleich mit der ungarischen Regelung.
Warschau und Budapest verstehen Familienpolitik explizit auch als patriotische Aufgabe – Wachstum durch eigene Kinder statt durch Einwanderung.
Frankreich steuert über Steuern
Ganz anders funktioniert das Modell Frankreichs, das seit Jahrzehnten zu den geburtenstärksten Ländern Europas zählt. Dort entlastet das Steuersystem Familien durch den sogenannten „quotient familial“, der das Einkommen nach Kinderzahl staffelt und so die Steuerlast deutlich senkt. Ergänzend gibt es ein engmaschiges Netz staatlicher Kinderbetreuung und eine kostenlose Vorschule ab drei Jahren.
Der Fokus liegt weniger auf Geldgeschenken, sondern auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie – mit stabilen Raten um 1,8 Kinder pro Frau.
Deutsche Länder erfolglos
Österreich und die Bundesrepublik Deutschland investieren zwar ähnlich hohe Summen in Familienleistungen, es gelingt damit aber kein Erfolg. Denn Geld für soziale Absicherung schafft eben keine Kinder. Kindergeld, Elterngeld und Kinderzuschlag dienen in erster Linie dem Ausgleich ungleicher Einkommen. Eine gezielte steuerliche Begünstigung nach Kinderzahl, wie sie Ungarn oder Frankreich kennen, gibt es nicht. Entsprechend stagniert die Geburtenrate seit Jahren bei niedrigen 1,3 bis 1,4 Kinder pro Frau.
Mehr Kinder in Skandinavien
Skandinavische Länder wiederum zeigen, dass hohe Geburtenraten auch durch Gesellschaftspolitik erreichbar sind: Mit langen Elternzeiten, kostenlosen Krippenplätzen, Ganztagsschulen und flexiblen Arbeitsmodellen liegen die Geburtenraten in Schweden und Norwegen regelmäßig bei 1,6 bis 1,7 Kindern pro Frau.
Geburteneinbruch nach Corona
Doch allen Ländern ist eine traurige Tatsache gemein: Die Zahl der Neugeborenen in Europa ist nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen infolge der Corona-Politik teilweise deutlich zurückgegangen.
Vor Corona kamen knapp 4,2 Millionen Kinder in der EU zur Welt. Im Vergleich der 27 EU-Länder hatte Frankreich mit 1,86 Kindern die höchste Geburtenzahl, die geringsten hatten Spanien und Malta mit 1,23 bzw. 1,14 Geburten pro Frau. 2023 waren es nur noch 3,67 Millionen Babys (Frankreich mit 1,66 Kindern pro Frau, Spanien mit 1,12 und Malta mit 1,06 Kinder).
Gestaltungswille vs. Funkstille
Budapest versucht mit der nächsten Stufe seiner Kinderpolitik an alte Erfolge anzuknüpfen. Funkstille herrscht hingegen in Wien und Berlin. Dort schlägt man sich mit den Folgen der Einwanderung herum, statt endlich Politik für die eigenen Bürger zu machen.