Die Diskussion um Österreichs Zukunft ist erneut in den sozialen Medien entbrannt. Auslöser war ein Beitrag von Ralph Schöllhammer, Leiter des Zentrums für angewandte Geschichte und Theorie der internationalen Beziehungen am Mathias Corvinus Collegium in Budapest, auf X, in dem er die demografische Zusammensetzung junger Menschen in Ungarn und Österreich verglich – sehr zum Unmut des Neos-Abgeordneten Veit Dengler, der mit seltsamen Vergleichen konterte.
Wie sieht Österreichs Zukunft aus?
Die Fakten: Während in Ungarn 98 Prozent der jungen Menschen zwei ungarische Elternteile haben, sind es in Österreich nur 56 Prozent mit zwei österreichischen Elternteilen. Schöllhammer zieht daraus ein eindeutiges Fazit: „In 100 Jahren wird Ungarn noch immer Ungarn sein, während Österreich eine bloße Bezeichnung auf der Landkarte sein wird.“ Eine Argumentation, die eigentlich kaum logisch widerlegt werden kann. Ein Lokalaugenschein in Wiener Bezirken wie Favoriten, Ottakring, Rudolfsheim-Fünfhaus oder Brigittenau zeigt deutlich, wohin die Reise geht.
Böhmische Migration vor einem Jahrhundert
Das rief Dengler auf den Plan: Er zog bemerkenswerte angebliche Parallelen, und zwar zur Migration aus Böhmen nach Wien vor rund hundert Jahren (!) und verwies auf die multikulturelle Schweiz als Vorbild. Dengler sprach davon, dass man „mehreren Heimaten“ haben könne und brachte seine persönliche Erfahrung ein: Als Vater von Kindern mit einem migrantischem Elternteil hält er Schöllhammers Schlussfolgerung für „Nonsens“. Eine Bedrohung durch die Einwanderung will er nicht erkennen.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich
Kein Verständnis dafür hat Christian Ortner, Kolumnist der Presse. Er merkt an, dass Migration aus kulturell nahen Regionen – wie etwa Böhmen – natürlich andere Folgen hat als massenhafte Migration aus Afghanistan, Syrien oder Somalia. Zudem sei die Schweiz über Jahrhunderte hinweg gewachsen und nicht einfach auf ein historisch neutrales Beispiel übertragbar. Ortner wirft Dengler vor, diese Unterschiede zu verkennen und historische sowie kulturelle Kontexte zu ignorieren.
Die wenigsten Menschen sind “Weltbürger”
Das Konzept der “mehreren Heimaten” ist für Ortner schlicht elitär: ein Privileg global mobiler Menschen, die zwischen Städten wie Wien und Zürich pendeln, wie normale Menschen mit der Wiener U-Bahn-Linie U6 zur Arbeit fahren. Der Unterschied: Letztere seien eben mit ihrer einzigen Heimat schon zufrieden und wollen diese auch gar nicht eintauschen und erst recht nicht hergeben müssen, schon gar nicht „unter dem Druck der Demografie“.
Regierende Klasse verachtet einfache Bürger
In Denglers Argumenten wittert er einen „Hauch jener Verachtung für die einfachen Leute und ihren altertümlichen Heimatbegriff“, der in der Migrationsdebatte immer wieder aufkomme. Es gehe ihm nicht darum, wie viel Migration ein Land brauche – sondern:
Worum es aber geht, das ist die von Dengler gleichsam prototypisch für große Teile der regierenden Klasse gezeigte Nonchalance gegenüber den multiplen Bedrängnissen, denen jene Leute ausgesetzt sind, die in den Teilen unserer Städte leben, in denen sie sich wie Fremde im eigenen Land vorkommen. Diesen Menschen mit der unproblematischen Zuwanderung, dem Vorbild Schweiz und der Schönheit mehrerer Heimaten zu kommen, grenzt an Zynismus.

