Nicht die umstrittene Diversion für ÖVP-Klubobmann August Wöginger könnte der Sargnagel für Christian Stocker sein, sondern das, was der ÖVP-Kanzler danach gesagt hat.
“Gerichtssaal als unbescholtener Mann verlassen”
Dem Bundeskanzler ist nach der Tutti-paletti-Diversion, wie sie Philipp Aichinger in seinem Leitartikel in Die Presse bezeichnet, nur das eingefallen:
Dass August Wöginger den Gerichtssaal heute als unbescholtener Mann verlässt und das Strafverfahren damit beendet ist, freut mich nicht nur als sein Freund, sondern auch als Bundesparteiobmann der Volkspartei sehr. Damit ist die Angelegenheit für ihn und für die Volkspartei erledigt.
Finanzministerium prüft Schadenersatzzahlung
Das ist anscheinend nicht der Fall: Die Presse berichtet nämlich, dass auf Wöginger Schadenersatzzahlungen des Bundes in Höhe von 9.000 Euro – für den Verdienstentgang und dem Ersatz für die erlittene Kränkung der ausgebooteten Beamtin bei der Besetzung des Finanzamtes Braunau, Ried und Schärding – zukommen könnten. Man prüfe diesen Regressanspruch und überlege die nächsten Schritte, zitierte Die Presse gestern, Donnerstag, eine Stimme aus dem Finanzministerium. Nötig wäre dafür eine zivilrechtliche Klage.
95 Prozent für Rücktritt Wögingers
Zudem ist Stocker geraten, einmal auf die Kommentare zu schauen, die auf der Facebook-Seite seines Parteifreundes Wöginger zu lesen sind. Unzensuriert berichtete. Zudem ergab eine Blitz-Umfrage von Oe24, dass 95 Prozent der Österreicher für einen Rücktritt des ÖVP-Klubobmanns sind.
Steuerzahler müssen Entschädigungen leisten
Nicht „erledigt“, wie Stocker meinte, ist die Angelegenheit auch für Bewerber, die unter Postenschacher leiden, und auch nicht für die Steuerzahler. Sie würden durch Postenschacher nicht nur eine schlechtere Verwaltung erhalten. Sie müssten auch noch blechen, wenn ein übergangener Bewerber vor Gericht siegt und vom Staat zu entschädigen ist, schreibt Aichinger in seinem Leitartikel. So habe nicht nur die übergangene Bewerberin aus Braunau erfolgreich geklagt. Seit 2006 hätten Ministerien laut einer Recherche von ORF-„Report“ und profil mindestens 439.730,82 Euro an Schadenersatz aufgrund von „Diskriminierung wegen Weltanschauung“ leisten müssen.
Postenschacher von Doris Bures
Leitinger hat punkto Postenschacher noch eine sehr prominente Sozialistin ausgemacht – nämlich Doris Bures. Sie soll 2011 als Verkehrsministerin nicht den besten Bewerber als Sektionschef genommen haben, sondern eine laut Begutachtungskommission etwas schlechter qualifizierte Frau. Die SPÖ-Politikerin habe das Übergehen des Mannes, als Burschenschafter eher kein Roter, mit der Frauenförderung begründet. Das Gericht hielt das Logische fest: Ein etwas besser qualifizierter Kandidat ist besser qualifiziert. Die Republik wurde daher 2017 zu 317.368 Euro Schadenersatz verurteilt.
Vertrauen in Republik bricht zusammen
Für Bures hatte das keine Folgen. Heute ist sie Dritte Nationalratspräsidentin und verdient gleich gut wie Wöginger, also etwa 17.600 Euro brutto im Monat. In seinem Leitartikel kommt Philipp Aichinger daher zum Schluss:
Wundern darf man sich nicht, dass das Vertrauen in die Politik zusammenbricht, wenn Volksvertreter auch nach offensichtlichem Postenschacher im Amt bleiben. Dabei wäre es einfach: Der bestqualifizierte Bewerber soll im öffentlichen Dienst zum Zug kommen. Unabhängig vom Geschlecht und politischer Vorliebe und auch, wenn jemand – Gott bewahre – sich gar zu bewerben wagt, ohne einer Partei nahezustehen.
Das zu betonen, so Aichinger, wäre statt Rückendeckung für Parteifreund Wöginger die Aufgabe eines Kanzlers.