Am Montag fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Wien die Verhandlung zur Frage statt, ob das Projekt „Heumarkt neu 2021“ einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden muss. Bereits in zweiter Instanz.
Unterstützung von ICOMOS
Im Verfahren wurden dann mehrere Berichte von ICOMOS diskutiert, einer internationalen Expertengruppe für Denkmalschutz. Laut einem Technical Review aus dem Jahr 2022 sei das Projekt „Heumarkt neu“ mit dem Erhalt des „außergewöhnlichen universellen Werts“ der Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien unvereinbar.
Es wurde dort wörtlich festgehalten, dass eine Lösung nur durch ein neues Projekt mit geringerer Bauhöhe erreichbar sei. Dieses Urteil bezieht sich ausdrücklich auf die Fassung des Projekts aus dem Jahr 2021.
UNESCO listet Wien seit 2017 auf der roten Liste
Hintergrund dieser Einschätzungen ist die Aufnahme Wiens auf die UNESCO-Liste des gefährdeten Welterbes im Jahr 2017. Damals war der Wiener Gemeinderat wenige Wochen vor der Entscheidung der UNESCO mit einer Flächenwidmungsänderung zugunsten des überdimensionierten Monsterbaus vorgeprescht.
Die UNESCO sah darin einen Bruch der vertraglichen Verpflichtung Österreichs, das historische Stadtbild zu schützen.
Höhenreduktion änderte Einschätzung nicht
Nach massiver Kritik wurde das ursprüngliche Projekt mehrfach überarbeitet. Statt des ursprünglich vorgesehenen Turms mit 66,7 Metern ist nun eine 56,5 Meter hohe „Wohnscheibe“ geplant. Die Bauwerberin Wertinvest argumentierte, damit sei der Eingriff ins Stadtbild wesentlich verringert.
Nein. Aus Sicht von ICOMOS und der UNESCO blieben die Beeinträchtigungen jedoch substanziell.
Relevanz der Heritage Impact Assessments (HIA)
Im jetzigen Verfahren spielte auch die Kulturerbe-Verträglichkeitsprüfung von Michael Kloos eine zentrale Rolle. Er betonte, dass Beeinträchtigungen einzelner Attribute einer Welterbestätte „nicht kompensiert“ werden könnten. Jede Abweichung vom historischen Erscheinungsbild sei daher entscheidend. Kloos wies auch darauf hin, dass Vorbelastungen durch bestehende Bauten – wie das Hotel Intercontinental – bei der Beurteilung nicht mildernd zu berücksichtigen seien.
Damit wurden alle wesentlichen Punkte der Beschwerde betreffend die Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien bestätigt.
Vorwurf mangelnder Transparenz und widersprüchlicher Bewertungen
Im Lauf der Verhandlung wurden Differenzen über den Umgang mit den ICOMOS-Berichten deutlich. Wertinvest kritisierte, dass frühere Entwürfe der ICOMOS-Stellungnahmen nicht bekannt seien und die endgültigen Fassungen nicht unterzeichnet vorgelegt wurden. Vertreter der Umweltorganisationen und der Stadt Wien hielten dem entgegen, dass die Schlussfolgerungen konsistent und bekannt seien. Das Gericht entschied, keine weiteren Versionen der Berichte beizuziehen.
UNESCO-Beschluss über Verbleib auf „roter Liste“ steht bevor
Unabhängig vom Verfahren in Wien prüft die UNESCO regelmäßig, ob Wien von der Liste gefährdeter Welterbestätten gestrichen wird. Zuletzt hatte die Organisation signalisiert, dass ohne substanzielle Änderungen am Projekt der negative Status bestehen bleibt. Der formale Beschluss dazu wird auf der Welterbe-Konferenz im laufenden Monat in Paris erwartet.
Der Richter am BVwG erklärte jedenfalls, dass für ihn die bisherigen Stellungnahmen des UNSCO-Welterbe-Komitees wesentlich seien. Zur Not bestellt er auch einen Gerichts-Sachverständigen.
Politische Debatte über Heumarkt-Projekt hält an
Das Bauvorhaben ist seit vielen Jahren innenpolitisch umstritten. FPÖ und ÖVP forderten zuletzt ein endgültiges Aus des Projekts, während die Wiener Stadtregierung aus SPÖ und Neos es weiter unterstützt. Bürgerinitiativen und engagierte Bürger sprechen von einer Strategie der Verzögerung und Intransparenz. Die Umweltorganisationen pochen auf ein UVP-Verfahren, um alle Auswirkungen rechtskonform zu prüfen.
Mit dem aktuellen Verfahren schöpft die Umweltorganisation Hoffnung, den Monsterbau noch verhindern zu können. Nicht zuletzt, weil die Erkenntnisse der Verhandlung sehr gut auch im Parallelverfahren betreffend der UVP verwertet werden können.