Hand auf’s Herz, liebe Leser! Gewiss haben die meisten von Ihnen zuvor noch nie von Waldkappel gehört. Bei diesem beschaulichen Ort handelt es sich um eine 4.100 Einwohner große Kleinstadt im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis.
AfD freut sich über neues Mitglied
Medial bekannt war Waldkappel bisher vor allem durch Berichte der HNA-Zeitung, die zum Beispiel darüber schrieb, wie das monatliche Erzählcafé in Waldkappel für besondere Momente sorgt. Ein solches Lokal ist natürlich eine schöne Sache und wichtig für die Gemeinschaft. Nun jedoch wird Waldkappel auch außerhalb der Region bundesweit bekannt.
Grund dafür ist der Wechsel von Stadtrat Lukas Gesang zur AfD. Sowohl die hessenschau als auch die tagesschau berichteten gestern, Dienstag, darüber. Die örtliche SPD ist empört, da Herr Gesang bisher von ihr unterstützt wurde; freilich ohne Mitglied bei den Sozialdemokraten zu sein. Der AfD-Kreisverband Waldeck-Frankenberg hingegen gratulierte laut der tagesschau in den sozialen Medien mit den Worten: “AfD Waldeck Frankenberg gratuliert dem AfD Kreisverband Werra Meissner zum ersten ‘Überlaufer'”.
SPD rastet völlig aus
Die SPD war hingegen weniger höflich. Natürlich ist es irgendwo nachvollziehbar, dass man über so einen Seitenwechsel nicht begeistert ist, aber die Worte von Knut John, Unterbezirksvorsitzender der SPD im Werra-Meißner-Kreis, sind doch mehr als unverschämt: “Wir werden alles daran setzen, dass dieser Mensch aus diesem Amt rauskommt”, sagte er und fügte hinzu: “Nazis haben bei uns keinen Platz, weder in der Partei noch in der kommunalen Politik.”
Also ist man automatisch ein “Nazi”, wenn man nicht mehr bei der SPD, sondern bei der AfD sein möchte? Absurd. Zumal Berthold Hartmann, Kreisvorsitzender der AfD laut der hessenschau “nach eigenen Angaben früher viele Jahre SPD-Mitglied” war. Er erklärte: “Lukas Gesang ist durch den Eintritt in die AfD kein anderer Mensch geworden.” Ginge es nach ihm, könne Herr Gesang seine Arbeit als Stadtrat ruhig fortführen, aber dieser möchte das offenbar nicht. Er hat der tagesschau zufolge um seine “Entlassung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis gebeten”, teilte die Stadt Waldkappel am Dienstagabend mit.
Druck durch die SPD?
Ob das mit dem medialen Druck und den unverschämten Beleidigungen der SPD zu tun hat? Jemanden als “Nazi” zu beschimpfen ist schon ziemlich dreist. Entsprechend angebracht ist die Warnung von Holger Schiller von der Überparteilichen Wählergemeinschaft Waldkappel (ÜWG), die ebenfalls im Stadtparlament vertreten ist. “Er tut sehr viel Soziales im Ort, es sollte fair zugehen”, sagte Herr Schiller und warnte vor einer Hetzjagd auf Herrn Gesang.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD in Waldkappel, Volker Apel, warf dem ehemals der SPD nahestehenden Politiker hingegen einen “Vertrauensbruch” vor. Diesen Vorwurf könnte Lukas Gesang eigentlich an die SPD zurückgeben. Wenn SPDler zur AfD gehen, ist es wohl eher die SPD, die das Vertrauen der Leute verspielt hat. “Die Entwicklungen in der Bundespolitik haben mich enttäuscht, ganz besonders, dass die AfD noch schnell als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde”, sagte er über sein Überlaufen.
SPD verliert an AfD
Herr Gesang ist nicht der erste Politiker aus dem Umfeld der SPD, der zur AfD wechselt. Auch der AfD-Politiker Guido Reil wechselte einst von der SPD zur AfD. Reils Vater und sein Großvater waren ebenfalls SPD-Mitglieder und Reil trat mit 20 Jahren der SPD bei. Für seinen Übertritt nach 26 Jahren SPD-Mitgliedschaft führte er vor allem seine Kritik an der SPD-Politik während der Flüchtlingskrise als Begründung an. Und er ist damit gewiss nicht allein.
Während der letzten Bundestagswahl verlor die SPD 720.000 Wähler an die AfD. Zudem steigt die Mitgliederzahl der blauen Partei rasant. Waren es 2023 noch 39.596 sind es Stand Februar 2025 schon 52.000.
Die Frage ist natürlich, wie die SPD darauf reagieren wird? Sie könnte so werden wie ihre dänische Schwesterpartei, was mit jemandem wie Lars Klingbeil, der linke Gutmenschen für “Organisationen, die unsere Demokratie schützen” hält, wohl ausgeschlossen ist. Oder aber sie beschimpfen weiterhin jeden Kritiker als “Nazi” und verlieren so mehr und mehr Wähler und gutes Personal; was sehr wahrscheinlich ist.