Jetzt auf einmal will ÖVP-Kanzler Christian Stocker die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ändern. Als FPÖ-Chef Herbert Kickl erstmals 2019 diesen Vorstoß machen wollte, fielen alle (inklusive Bundespräsident) über ihn her.
Das Recht muss der Politik folgen
Zur Erinnerung: Kickl, damals Innenminister, sagte 2019 im ORF-Report, als es um die Aberkennung des Schutzstatus für straffällige Asylberechtigte ging:
Das Recht muss der Politik folgen, nicht die Politik dem Recht.
Scharfe Kritik von Van der Bellen
Was war da nicht alles los in der Republik? „Kickl stellt Menschenrechtskonvention infrage“, titelte der Standard. Der damalige ÖVP-Justizminister Josef Moser wies Kickl zurecht: Die Menschenrechtskonvention habe sich bewährt und sei zu beachten, sagte Moser. Außerdem erinnerte er seinen Regierungskollegen an das rechtsstaatliche Prinzip in der Verfassung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf X:
Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich seit 59 Jahren im Verfassungsrang. An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik.
Brief an Europäische Union
Und jetzt: In einem gemeinsamen Brief von neun europäischen Staats- und Regierungschefs wird eine Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention angeregt. Konkret soll es mehr Möglichkeiten für Länder geben, straffällig gewordene Asylwerber in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Auch ÖVP-Kanzler Christian Stocker hat diesen Brief unterzeichnet.
Was tut der Bundespräsident?
FPÖ-Heimatschutzsprecher und Generalsekretär Michael Schnedlitz zeigt sich in einer ersten Reaktion überrascht: Die jüngsten Entwicklungen würden beweisen, dass die FPÖ und Herbert Kickl in der Sache Recht hätten! In einer Aussendung fragte sich Schnedlitz allerdings:
Jetzt will Stocker offensichtlich das Gleiche wie Kickl – wie reagiert die Asylanten-Partei SPÖ darauf? Weiß Andreas Babler überhaupt etwas vom Vorstoß des Kanzlers? Und was tut der Bundespräsident?
ÖVP vor wenigen Wochen noch brüsk dagegen
Erstaunt zeigte sich Schnedlitz auch deshalb, weil im Rahmen der Regierungsverhandlungen die Volkspartei die von den Freiheitlichen geforderten EMRK-Vorstöße brüsk zurückgewiesen hat. Fakt sei zudem:
Die EMRK und die darauf aufbauende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhindert die dringend notwendige restriktivere Migrationspolitik. Sie erschwert Abschiebungen und gibt abgelehnten Asylwerbern jede Hilfe, um unter Verweis auf die Menschenrechte im Land bleiben zu dürfen. Auch verurteilte Straftäter werden beschützt. Selbst Schwerverbrecher dürfen nicht abgeschoben werden, weil ihnen im Herkunftsland Gefahr droht. So darf es nicht weitergehen.
“Kanzler-Buddha” muss schneller werden
Christian Stocker und seine ÖVP haben sechs Jahre gebraucht, um ein Handeln in dieser Sache – wie von Kickl verlangt – zu erkennen. Da passt es gut, dass die Kronen Zeitung den „Kanzler-Buddha“ aufforderte, bei allen Herausforderungen schneller zu werden und nicht zu warten, bis sich Deutschland unter dem neuen CDU-Kanzler Friedrich Merz wirtschaftlich erholt „und dann in zwei oder drei Jahren vielleicht ein paar Krümel vom Tisch der lieben Nachbarn zu uns abfallen“. Das wird zu wenig sein, wie das zögerliche Verhalten der ÖVP schon in der Migrationspolitik gezeigt und aufgrund dessen Österreich viel Leid gebracht hat.