Der Jurist Herbert Michner veröffentlichte 80 Jahre nach den Ereignissen seine Tagebucheinträge.

8. Mai 2025 / 10:25 Uhr

Von Stockerau bis Stalingrad: 103-Jähriger veröffentlicht sein Tagebuch

Darstellungen zu historischen Ereignissen, die auf Zeitzeugenaussagen beruhen, finden beim Publikum reges Interesse.

Einblick in die Zeitgeschichte

Zitate aus Tagebüchern, Briefen, Erinnerungen, Dokumenten, Befehlen usw. geben einen authentischen Einblick in das Denken und Fühlen der Menschen in ihrer Zeit mit all ihren Widersprüchen und mit für Nachgeborene mitunter erstaunlichen Einsichten und Beobachtungen. Ein solches Tagebuch ist kürzlich neu erschienen. Es kann hier erworben werden.

Von Stockerau bis Stalingrad und zurück

Der Klagenfurter Herbert Michner diente vier Jahre als Soldat im Zweiten Weltkrieg und führte darüber Tagebuch. Im 103. Lebensjahr blickt er zurück auf seine Jugend und Militärzeit, die ihn vom Kavallerie Regiment Nr. 11 in Stockerau bis nach Russland führte.

Dort nahm er 1942 am Vorstoß in den Donbogen teil, der für ihn im Kessel von Stalingrad endete, aus dem er verwundet ausgeflogen wurde. Die folgenden Kriegsjahre sahen ihn bei der Bandenbekämpfung in der 1. Kosaken Division auf dem Balkan. Als Ordonnanzoffizier in der Plastun-Brigade „Kononow“ erlebte er im Mai 1945 die Kapitulation in Kärnten.

Soldaten im Häuserkampf

Ab dem Spätsommer 1942 kämpfte die 6. Armee um die Ortschaft Stalingrad, die seit 1961 Wolgograd heißt. Zwischen Fabrikanlagen und Hochöfen, in den Mietskasernen von Stockwerk zu Stockwerk und in der Kanalisation tobte ein Kampf, für den die ursprünglich panzerstarke Armee nicht ausgerüstet und nicht ausgebildet war. Die deutschen Soldaten kämpften jedoch unendlich tapfer und heldenhaft. Aber die überdehnten Nachschubwege machten die Versorgung schwierig, die Russen stritten verbissen um Stalins Prestigestadt.

Trauma Stalingrad

Am 23. November 1942 trafen schließlich zwei Stoßarmeen der Russen etwa 100 Kilometer westlich von Stalingrad zusammen; die 6. Armee war eingeschlossen. Im Jänner gingen die Flugplätze verloren und weder Versorgung noch Ausfliegen von Verwundeten, wie Michner, konnte mehr stattfinden. So starb die Armee bis zur Kapitulation am 3. Februar 1943. Doch das Leiden und Sterben gingen erst richtig los: Von den 108.000 Soldaten, die in russische Kriegsgefangenschaft kamen, kehrten nur etwa 6.000 zurück.

Kein Anlass zum Feiern

Eine enorme Zahl, zumal sich hinter jedem Gefallenen und in der Gefangenschaft elend Umgekommenen ein Schicksal, Frauen, Kinder, Mütter und Angehörige verbergen. Und dennoch nur ein Bruchteil jener Millionen von Toten, die der Zweite Weltkrieg hinterließ. Kein Anlass zum Feiern.

Billiges Scherbengericht der Nachwelt

In seinem Buch „Mit General v. Pannwitz im Bandenkampf – Stalingrad – Balkan“ erzählt Michner über die Zeit, die heute vor allem für Propaganda herhalten muss. „Dem Sieger wird immer verziehen. Aus Raubzügen werden Erwerbungen und aus Beutezügen Gewinne. Wer überlebt, der darf richten; wie billig machen das die Scherbengerichte der Nachwelt. Der Sieg und das Überleben sind es, die Recht sprechen,“ schreibt ein anderer Frontsoldat und Zeitgenosse Michners, der Schriftsteller Erhart Kästner, über die Welt nach einem verlorenen Krieg.

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