Er war einst Hoffnungsträger der konservativen Erneuerung innerhalb der CDU, jetzt steht er offenbar vor dem Absprung: Der renommierte Historiker und frühere Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder, denkt offen über seinen Austritt aus der Partei nach.
Brandmauer als Käfig
In einem Interview mit der WELT übt Rödder scharfe Kritik an Kurs, Koalitionsstrategie und Umgang der Union mit der AfD – und warnt vor einer drohenden Systemkrise in Deutschland. Besonders deutlich wird Rödder beim Thema der sogenannten „Brandmauer“ zur AfD. Diese bewirke in seinen Augen genau das Gegenteil dessen, was sie angeblich schützen soll: „Die Brandmauer ist ein eiserner Käfig, in dem das links-grüne politische Lager die Union eingesperrt hat“, sagt Rödder. Mit dieser Strategie hätten CDU und CSU keine realistische Koalitionsalternative mehr, was die SPD in eine geradezu übermächtige Verhandlungsposition bringe. Das Ergebnis: Eine Politik, die konservative Wähler enttäuscht und dem linken Lager die Vorherrschaft sichert.
Wortbruch gegenüber den Wählern
Rödder spart auch nicht mit Kritik an der Führung seiner eigenen Partei. Die Union habe im Wahlkampf einen klaren Politikwechsel versprochen – doch in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD sei davon nichts zu spüren. Das sei nicht nur ein Bruch mit dem eigenen Programm, sondern auch ein gefährlicher Beitrag zur Vertrauenskrise zwischen Bürgern und politischen Institutionen. Wenn die CDU ihre Versprechen nicht einlöse, drohe daraus eine echte Systemkrise zu erwachsen. Im Umgang mit politischen Wettbewerbern wie der AfD, der Linkspartei oder dem BSW fordert Rödder ein Umdenken. Anstelle pauschaler Gesprächsverbote brauche es eine „konditionierte Gesprächsbereitschaft“. So könne die CDU ihre Werte vertreten, ohne sich der politischen Realität zu verweigern. Eine Strategie, die überfällig sei, um der Blockadehaltung zu entkommen und politisch wieder handlungsfähig zu werden.
AfD fordert seit Jahren Gespräche auf Augenhöhe
„Ich habe ein Problem“, erklärte Rödder auf die Frage, ob er sich noch in der CDU zuhause fühle. Der Geschichtsprofessor, der 2023 bereits seinen Posten als Leiter der Grundwertekommission niedergelegt hatte, deutet nun an, die Konsequenzen aus seiner politischen Entfremdung zu ziehen: „Darüber denke ich gerade nach“, sagt er zu einem möglichen Parteiaustritt. Die AfD hingegen fordert seit Jahren genau das, wovon Rödder nun spricht: Einen offenen, sachorientierten Umgang miteinander – ohne pauschale Ausgrenzung, aber mit klaren inhaltlichen Leitplanken. In zahlreichen Landtagen hat die AfD mehrfach die Gesprächsbereitschaft signalisiert und betont, dass es gerade im Interesse der Wähler notwendig sei, Mehrheiten nicht künstlich auszuschließen. Dass nun selbst prominente CDU-Intellektuelle wie Rödder diesen Kurs als einzig gangbaren Weg erkennen, zeigt, wie überfällig eine politische Wende im konservativen Lager ist – weg von ideologischer Abschottung, hin zu echter demokratischer Debatte auf Augenhöhe.
Politisches Erdbeben für CDU in Mecklenburg-Vorpommern
Wie berichtet, gab es bereits ein politisches Erdbeben für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern: Der gesamte Vorstand des Stadtverbands Kühlungsborn, einer der größten Ortsverbände im Landkreis Rostock, hat gemeinsam mit weiteren Mitgliedern seinen sofortigen Rücktritt aus der Partei erklärt. Ihr Schritt ist eine offene Abrechnung mit dem politischen Kurs von Parteichef Friedrich Merz und der aktuellen CDU-Spitze.