Gerade einmal 13.400 Stimmen fehlten dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), um die Fünf-Prozent-Hürde bei der gestrigen Bundestagswahl zu knacken und damit in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen.
Die junge Partei unter ihrer Namensgeberin erreichte am Sonntag nur 4,972 Prozent. Da sie auch keine Direktmandate gewinnen konnte, zieht hier auch die Grundmandatsklausel nicht, nach der Parteien auch mit einem Wahlergebnis von weniger als fünf Prozent zwar keine Fraktion, aber wenigstens eine Gruppe im Bundestag bilden können.
BSW-Politiker sehen Schuld für Niederlage bei Medien und Behörden
Wagenknecht, einst prominente Abgeordnete der Linkspartei, kündigt deshalb Konsequenzen an: Sie sieht die Schuld für die Niederlage ihrer Partei bei einer “Kampagne” von Medien und Forschungsinstituten:
Wenn eine Partei aus dem Bundestag fliegt, weil ihr 13.400 Stimmen fehlen und in relevanter Zahl Menschen an dieser Wahl nicht teilnehmen und von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen konnten, stellt sich schon die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Wahlergebnisses. Wir werden das prüfen und uns natürlich mit Juristen beraten.
Wahlunterlagen kamen bei tausenden Auslandsdeutschen zu spät an
BSW-Politiker Fabio de Masi, ebenfalls ehemaliger Linken-Funktionär und jetziger EU-Parlamentarier, postete auf X:
Mich erreichten bereits heute Nacht zahlreiche Zuschriften von Auslandsdeutschen, die wütend sind, dass sie an ihrem Wahlrecht faktisch gehindert wurden und darum bitten, die Wahl überprüfen zu lassen. Etwa aus Dänemark. Für Beschwerden ist zunächst der Wahlausschuss des Bundestages zuständig. Dann steht der Weg nach Karlsruhe offen. Es ist bemerkenswert, mit welcher Aggressivität allein dem Erwägen dieser Möglichkeit von vermeintlich aufgeklärten Zeitgenossen begegnet wird und Vergleiche mit Donald Trump gezogen werden.
De Masi erinnert daran, dass zahlreiche Verfassungsrechtler bereits vor der Wahl Bedenken angemeldet hätten. Die Überprüfung der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl sei ein hohes Gut in einem Rechtsstaat.
Von 213.000 Wahlberechtigten konnten tausende nicht wählen
Das BSW monierte: Wenn unzählige Auslandsdeutsche nicht wählen können, dann sei das keine gleiche Wahl. Konkret nannte De Masi die Zahl von 213.000 Auslandsdeutschen im Wählerverzeichnis, von denen etliche nicht hätten wählen können. Das ist insofern erstaunlich, als es viele Millionen Deutsche im Ausland gibt, die theoretisch wahlberechtigt sind. Genaue Zahlen sind den deutschen Behörden nicht bekannt, weil diese keine Daten zu Deutschen im Ausland erheben.
Wie viele Auslandsdeutsche wurden an Wahl gehindert?
Tatsächlich scheinen solche Unregelmäßigkeiten keine Seltenheit zu sein: Auch gegenüber unzensuriert berichtete ein in Österreich lebender deutscher Staatsbürger, dass er trotz rechtzeitiger Beantragung seiner Briefwahlunterlagen – die Frist dazu war schon am 10. Februar geendet – seine Wahlunterlagen erst zu spät erhalten habe. Eine Teilnahme per Briefwahl bis 23. Februar 2025 um 18.00 Uhr war damit nicht mehr möglich.
Da die Bundesrepublik Deutschland – anders als etwa Österreich – kein ständiges Wahlregister kennt, ist die Teilnahme an Bundestagswahlen übrigens auch ein unnötig großer bürokratischer Aufwand: Die Beantragung der Briefwahlunterlagen muss bereits lange vor der Wahl geschehen, und zwar bei dem Wahlkreis, in dem der Wahlberechtigte zuletzt seinen Hauptwohnsitz hatte.
Wird das Verfassungsgericht eingreifen?
Jetzt ist wohl das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Zug: Wenn die mutmaßlich nicht berücksichtigten Stimmen der Auslandsdeutschen tatsächlich dazu führten, dass das BSW oder auch die FDP den Einzug ins Parlament nicht schafften, dann könnte das sogar zu Neuwahlen in einzelnen Wahlkreisen führen. Dazu müsste es sich wohl um eine größere Anzahl von Stimmen – wahrscheinlich einige tausend – handeln.
Noch nicht absehbar sind die Folgen, sollte das BSW recht bekommen und bei Neuwahlen in den Bundestag einziehen. Denn das würde die Mandatsverteilung ändern, und die Union bräuchte für eine Koalition doch einen dritten Bündnispartner. Genau davor hatte Friedrich Merz bis zuletzt gezittert.