US-Vizepräsidenten J. D. Vance hat mit seiner Rede vor einer Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz offensichtlich des Pudels Kern getroffen, wie die Reaktionen der herrschenden Klasse vermuten lassen.
Gift und Galle
Geifernd und schäumend haben Politiker von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz bis CDU-Oppositionsparteichef Friedrich Merz die Inhalte zurückgewiesen. Die Rede von Vance sei eine „Umprogrammierung der Begriffe“ gewesen, „Neusprech“, „George Orwell“. Die TAZ nannte die Äußerungen gar „ein Meisterwerk in Perfidie“, mit einer Form von „Bösartigkeit, die wir bisher nicht kannten“, geprägt von Musks Verständnis von Meinungsfreiheit, „die Gift, Galle, Hass und Spaltung in der Welt verbreitet.“
Vance bleibt bei seinen Aussagen
Und doch: Vances Rede war nur ein Weckruf in einer Zeitenwende, die sich in den USA anbahnt. Dort legte der Republikaner nun bei der Konferenz der Conservative Political Action gestern, Donnerstag, nach. Einmal mehr schälte er heraus, was Europa und – im Zentrum – Deutschland bedroht: nicht Russland, sondern die Umkehrung von „Werten“, die auch das Bündnis mit den USA infrage stelle. Der Republikaner sagte:
Ich glaube, die Stärke dieser Bündnisse wird davon abhängen, ob wir unsere Gesellschaften in die richtige Richtung lenken.
Frage nach dem Wesen der Demokratie
Er stellte damit die Frage nach dem derzeitigen Zustand und nach dem Wohin. Und dabei hält er fest: Eine Demokratie, die ihren Bürgern misstraut und ihnen die Mündigkeit abspricht, ist keine Demokratie.
Sie ist auch nicht stabil, wenn man, wie im Falle Rumäniens, behauptet, dass ein bisschen Social-Media-Einfluss – vielleicht erkauft mit ein paar hunderttausend Euro – eine Wahl entscheidend beeinflussen könne. Gerade die Annullierung der Wahl in Rumänien und die unverhohlene Drohung aus Brüssel, dies auch anderswo zu tun, wenn den Regierenden die Wählerentscheidung nicht passt, stößt Vance sauer auf.
Besetztes Land
Bei seiner neuerlichen Thematisierung des Themas ging es ihm auch um die Sicherheitspolitik der USA: In der Bundesrepublik Deutschland sind derzeit etwa 77.000 US-Soldaten stationiert, was nicht nur die deutschen, sondern zum Teil auch die amerikanischen Steuerzahler bezahlen müssen. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es 181.600 aktive Soldaten und rund 34.000 Reservisten bei der Bundeswehr. Österreich verfügt über 16.000 Berufssoldaten, 7.000 Grundwehrdiener (Ausbildungszeit: sechs Monate) und 30.000 Angehörige der Miliz.
Wunsch nach politischer Veränderung
Vance fragt in Bezug auf die Hausdurchsuchung bei einem Rentner wegen des Teilens eines Witzbildes von Robert Habeck (Grüne):
Glauben Sie, dass der amerikanische Steuerzahler es hinnehmen wird, wenn jemand in Deutschland ins Gefängnis kommt, nur weil er einen gemeinen Tweet gepostet hat?
Aus den Worten von Vance spricht nicht nur der Wunsch nach politischer Veränderung in Europa, sondern mittlerweile auch Ungeduld.