Karrieresprung: Der Niederösterreicher Christian Stocker war bisher Generalsekretär und ist jetzt designierter Obmann der ÖVP.

6. Jänner 2025 / 07:34 Uhr

Ausgerechnet Scharfmacher Stocker muss klein beigeben: ÖVP vollzieht „180-Grad-Wendung“

Christian Stocker, bisher Generalsekretär und bald vielleicht Obmann der ÖVP, war in den letzten Jahren der Scharfmacher gegen die FPÖ.

Exponierter FPÖ-Gegner

Insbesondere FPÖ-Chef Herbert Kickl war ihm ein Dorn im Auge. Von „Sicherheitsrisiko“ bis zum Vorwurf des „fehlenden Formats“ für das Bundeskanzleramt, von „radikal“ bis „wehleidig“, vom Drohgespenst „Demokratie aushebeln“ bis schließlich zum neuen Kampfbegriff „Russland-Nähe“ hatte Stocker alles im Repertoire gegen Kickl.

Machterhalt über alles

Doch wenn es um den Machterhalt geht, dann wirft Stocker schnell alle seine Vorwürfe über Bord, auch wenn er gegenüber den Österreichern damit das Gesicht und jegliches Vertrauen verliert. Dafür wird er aber innerparteilich belohnt: Gestern, Sonntag, wurde Stocker zum neuen geschäftsführenden Parteichef der ÖVP nominiert. Politologe Peter Filzmaier nannte dies gegenüber dem ORF eine „180-Grad-Wendung“ der ÖVP.

Machterhalt kostet

Für Filzmaier ist der mutmaßliche Start in Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ, jetzt allerdings als Juniorpartner und ohne Kanzleramt, die „angenehmere“ von „zwei schlechten Varianten“ für die ÖVP. Bei Neuwahlen dürfte die ÖVP noch schlechter abschneiden als im September, während die FPÖ Richtung 40 Prozent Wählerzustimmung unterwegs ist. Und für die Regierungsbeteiligung dürfte die ÖVP „fast jeden Preis“ bereit sein zu zahlen.

Drei Monate Zeit verloren

Kolportiert wird, dass sich damit der Wirtschaftsflügel der ÖVP durchgesetzt hat. Den wirtschaftlichen Niedergang Österreichs, den die schwarz-grüne-Regierung unter Kanzler Nehammer zu verantworten hat, aufzuhalten, würde nur mit den Freiheitlichen gelingen. Es mussten aber mehr als drei Monate vergehen, ehe die anderen ÖVP-Vorfeldorganisationen dies begriffen.

Stocker rudert zurück

Wie ein Aal windet sich Stocker. Bei der ÖVP-Pressekonferenz gestern erklärte er die Lage als „anders“ und sagte zu, ein allfälliges Gesprächsangebot der FPÖ zu Regierungsverhandlungen annehmen zu wollen. Auch unter Leitung Kickls.

Es gehe nicht um Kickl oder ihn, sondern darum, eine stabile Regierung für Österreich zu bekommen.

ÖVP, SPÖ und Van der Bellen verlieren an Glaubwürdigkeit

Ebenso ramponiert wie Stocker ist auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der heute Kickl in der Hofburg empfangen wird. Auch er musste eine 180-Grad-Wendung hinlegen und erkennen, dass der Wählerwille gegen persönliche Animositäten umzusetzen ist. Immerhin sind die Österreicher der Souverän und nicht Van der Bellen.

Auch die SPÖ steigt nicht gut aus den gescheiterten Koalitionsverhandlungen aus. Für Filzmaier ist es „wirklich bemerkenswert“, dass sowohl ÖVP als auch SPÖ nicht zeigen konnten, „dass sich die Republik auf sie verlassen kann“.

Im ZIB2-Interview brachte die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle die Bedeutung der derzeitigen Entwicklungen auf den Punkt: Sie würde von vielen wohl so verstanden werden, dass Politiker nicht die Wahrheit sagen – vor allem in Wahlkampfzeiten. Das trifft auf die ÖVP und ihren neuen Parteiobmann tatsächlich zu.

Unterstützen Sie unsere kritische, unzensurierte Berichterstattung mit einer Spende. Per paypal (Kreditkarte) oder mit einer Überweisung auf AT58 1420 0200 1086 3865 (BIC: BAWAATWW), ltd. Unzensuriert

Teile diesen Artikel

    Diskussion zum Artikel auf unserem Telegram-Kanal:

Politik aktuell

7.

Jän

14:35 Uhr

Wir infomieren

Unzensuriert Infobrief


Klicken um das Video zu laden.