In der ÖVP herrscht blanke Ratlosigkeit. Nach dem gestrigen Aus jeglicher Koalitionsverhandlungen und dem Scheitern des Auftrags von Bundespräsident Alexander Van der Bellen steht die ehemalige Volkspartei führungslos da. Karl Nehammer hat sowohl seinen Posten als Bundeskanzler als auch als Parteichef geräumt.
Gretchenfrage: Mit FPÖ regieren?
Zur Stunde berät der ÖVP-Parteivorstand über die Nachfolge von Nehammer. Doch viel schwieriger ist die Suche nach der Antwort auf die Gretchenfrage: Soll die ÖVP nunmehr als Juniorpartner den Wählerauftrag von der letzten Nationalratswahl umsetzen und mit der siegreichen FPÖ Regierungsverhandlungen beginnen?
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der dies um jeden Preis verhindern wollte – und jetzt eines Besseren belehrt wurde –, will sich ebenfalls heute, Sonntag, dazu äußern.
Heiße Kartoffel Parteivorsitz
Schwierig wird die Besetzung des Parteichefs. Die ÖVP ist in der Wählergunst weit unten angekommen – Tendenz weiter fallend – und massiv in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt. Zu offensichtlich wurde der Machtmissbrauch unter den letzten beiden Obleuten Nehammer und Sebastian Kurz. Der Parteivorsitz ist ein Schleudersessel, der nicht nur guter Managementfähigkeiten bedarf, sondern auch Aufopferungsbereitschaft. Eine Charaktereigenschaft, die schwer zu finden sein dürfte.
Signale an FPÖ
Auch die FPÖ-Parteispitze berät derzeit. Parteichef Herbert Kickl sieht in der ÖVP-Personalie eine „Nagelprobe“:
Man wird sehen, ob die Volkspartei das Machtwort der Wähler von der Nationalratswahl zumindest jetzt ansatzweise verstanden hat.
Die Bestellung des neuen ÖVP-Parteivorsitzenden gilt daher als Signal an die FPÖ, eine bürgerlich-rechte Regierung zu bilden oder eben nicht.
Neos sehen sich bestätigt
Die Neos sind indessen sehr entspannt. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sieht sich bestätigt. Grünen-Vorsitzender Werner Kogler hält fest, dass ÖVP und SPÖ verlernt hätten, Kompromisse zugunsten Österreichs zu schließen.