Eine anonyme Pädagogin hat uns ein Lösungsblatt für den IQS-Test „Individuelle Kompetenzmessung PLUS“ (iKMPLUS) zugespielt, das zahlreiche gravierende Fehler enthält. Von unverständlichen Formulierungen bis hin zu offensichtlichen Rechtschreibfehlern – das Dokument wirkte auf den ersten Blick wie eine plumpe Fälschung oder zumindest wie ein fahrlässig erstelltes Schriftstück. Um diesen Verdacht zu klären, wandten wir uns direkt an die Pressestelle des Instituts für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS).
Fragwürdiges Lösungsblatt angeblich “geheim”
Unsere Anfrage, in der wir um eine Bestätigung der Echtheit des Dokuments baten, führte zu einer überraschenden Antwort. Das IQS gab zunächst an, dass das betreffende Lösungsblatt vertrauliches Material sei, das nicht öffentlich zugänglich ist und nach Gebrauch eigentlich vernichtet werden sollte. Dieses Vorgehen schien auf den ersten Blick eine gewisse Geheimniskrämerei zu suggerieren, was die Zweifel an der Seriosität des Dokuments noch verstärkte.
Absichtliche Fehler als Methode?
Doch die eigentliche Erklärung für die vermeintlichen Fehler war noch verblüffender: Laut IQS sind die Fehler absichtlich in den Lösungsblättern enthalten. Diese sollen den Lehrkräften helfen, die Aufgaben unter Berücksichtigung sogenannter „authentischer Schülerantworten“ zu bewerten. Offensichtlich dient diese Methode dazu, den sogenannten „Halo-Effekt“ zu vermeiden, bei dem die Rechtschreib- und Grammatikfehler den eigentlichen Kompetenzbereich verfälschen könnten. Mit anderen Worten: Ein Schüler, der inhaltlich richtige Antworten gibt, soll nicht aufgrund von sprachlichen Mängeln schlechter bewertet werden.
Laut IQS spiegelt sich diese Idee in den Lösungshinweisen wider. So enthalten die Lösungsblätter bewusst fehlerhafte Schreibungen, um den Lehrkräften zu verdeutlichen, dass diese nicht zur Bewertung herangezogen werden dürfen, wenn es um die Lesekompetenz der Schüler geht.
Verwirrung bei Lehrkräften
Ein solcher Ansatz mag wissenschaftlich fundiert sein (oder auch nicht), doch lässt er die Frage offen, ob es wirklich notwendig ist, derart gravierende Fehler auf einem offiziellen Lösungsblatt zu präsentieren. Denn wie uns die anonyme Pädagogin schilderte, sorgte genau dies bei den Lehrkräften für erhebliche Verwirrung und Zweifel an der Qualität der Materialien.
In der Antwort des IQS heißt es weiter, dass das Konzept der „authentischen Antworten“ auf wissenschaftlichen Studien basiert. Diese Methode soll Lehrkräften helfen, den Fokus auf die Kompetenz zu legen, die tatsächlich gemessen wird, und nicht von orthografischen Fehlern ablenken zu lassen. Man erkennt jedoch an, dass diese Vorgehensweise für Lehrpersonen, die mit diesem Ansatz nicht vertraut sind, kontraintuitiv erscheinen kann.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Doch bleibt die Frage, ob das bewusste Integrieren von Fehlern in Lehrmaterialien wirklich der richtige Weg ist, um die Kompetenzmessung zu verbessern. Zumindest in der Praxis scheint diese Methode mehr Verwirrung als Klarheit zu stiften. Die anonyme Pädagogin, die uns das Dokument zuspielte, sprach von einer „Farce“, die den eigentlichen Zweck des Tests – die Kompetenzmessung – ins Lächerliche ziehe. Tatsächlich wird die ohnehin mangelhafte Rechtschreib-Kompetenz vieler Schüler und (späterer) Studenten mit solchen Methoden noch weiter verschlimmert – klingt irgendwie schon nach “Deutsch als Fremdsprache”. Doch auch Fremdsprachen sollten richtig, sprich nach geltenden Rechtschreibregeln, gelernt und gelehrt werden.
PS: Wir hoffen, mit der Veröffentlichung dieser seltsamen Praxis keine “Staatsgeheimnisse” preisgegeben zu haben.