In dem von der ÖVP eingesetzten Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss ist eine Debatte über Aktenlieferungen ausgebrochen. Es geht um Unterlagen aus dem Kabinett der ehemaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die diese – so berichten Medien – als „privat“ gekennzeichnet und damit dem Zugriff des U-Ausschusses entzogen haben soll. An der Geschichte stimmt freilich kaum etwas – und die ÖVP, die sich besonders echauffiert, hat kiloweise Butter am Kopf.
Kurz-Akten gingen statt ins Archiv in den Schredder
Die Akten, um die es geht, liegen im österreichischen Staatsarchiv. Dort finden sich Unterlagen aus den persönlichen Büros vieler ehemaliger Regierungsmitglieder, aber längst nicht aller. Aus der ersten Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) während der türkis-blauen Koalition von 2017 bis 2019 etwa ist kein einziges Blatt Papier vorhanden, wie schon 2019 „Die Presse“ berichtete. „Der entsandte Mitarbeiter ist bekanntlich auf dem Weg ins Staatsarchiv irrtümlich bei der Firma Reißwolf abgebogen“, erinnert FPÖ-Generalsekretär und U-Ausschuss-Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker an die berüchtigte „Schredder-Affäre“.
Paradebeispiel für Scheinheiligkeit der ÖVP
Dass sich ausgerechnet die ÖVP in Person von U-Ausschuss-Fraktionsführer Andreas Hanger jetzt „irritiert“ zeigt, ist für Hafenecker daher „ein weiteres Paradebeispiel für die Scheinheiligkeit der ÖVP“. Irritiert könne man bei der Volkspartei höchstens darüber sein, dass andere Regierungsmitglieder ihre Akten nicht in den Schredder geworfen haben.
Mainstream-Berichte ohne jede inhaltliche Recherche
Die Aufregung um die angebliche „Privat“-Einstufung von Hartinger-Kleins Akten wirft allerdings auch ein bezeichnendes Licht auf die chronische Recherche-Schwäche der Mainstream-Medien. Wie ein ehemaliges Regierungsmitglied die Kartons, die es ins Staatsarchiv schickt, beschriftet, tut nämlich überhaupt nichts zur Sache. Denn per Gesetz es gilt, so Hafenecker „für alle Kabinettsakten eine 25-jährige Verschlussdauer, in der nicht einmal die Mitarbeiter des Staatsarchivs Einsicht nehmen dürfen. Sichten und freigeben darf die Akten in dieser Zeit nur das jeweilige ehemalige Regierungsmitglied, das die Akten dem Archiv übermittelt hat.“
Änderung muss auch Lieferpflicht enthalten
Einer Änderung dieser antiquierten Regelung stehe die FPÖ aufgeschlossen gegenüber. Allerdings müsse damit auch eine Pflicht zur Übermittlung der Akten einhergehen, „denn sonst wird überhaupt kein ÖVP-Minister jemals wieder auch nur einen Notizzettel ins Staatsarchiv schicken“, befürchtet Hafenecker. Und er erinnert an eine einmalige Episode, die ebenfalls ein bezeichnendes Licht auf das Transparenzbewusstsein der ÖVP wirft. Ex-Finanzminister Gernot Blümel musste nämlich sogar per Verfassungsgerichtshof-Entscheid samt anschließender Exekution durch den Bundespräsidenten gezwungen werden , relevante Akten an den U-Ausschuss zu liefern.