Es war immer ein Zeichen von Willkür und Schwäche, wenn Herrscher das Recht beugten und den politischen Gegner durch Gesetze und Verbote verhindern wollten.
Rundumschlag 2021 gestartet
Dieses Machtinstrument gibt es auch in demokratischen Systemen des jetzigen Jahrhunderts. So hat die französische Regierung 2021 die “Génération identitaire”, die sich für die Erhaltung der französischen Kulturnation einsetzt, verboten. Die „Identitäre Bewegung“ in Frankreich war Anfang der Nullerjahre entstanden. Aus ihr gingen unter anderem die Identitäre Bewegung in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland hervor.
Innenminister Gérald Darmanin warf der Jugendbewegung vor, zu „Diskriminierung, Hass und Gewalt“ aufzurufen, und ließ sie verbieten. Ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und den Rechtsstaat, kritisierte damals die Oppositionspolitikerin Marine Le Pen von der Partei Rassemblement National.
Kritiker vom Halse halten
Als Nächstes war die katholische Bewegung und Kleinstpartei “Civitas” dran. Mit Beschluss des Ministerrats wurde sie im Oktober dieses Jahres aufgelöst. Der Vorwurf: „Die Werte, für die diese Bewegung steht, haben in unserer Republik keinen Platz“, so Darmanin. Und das sind sie, die Werte ohne Platz: ein Verbot der Abtreibung und die Abschaffung der 2013 in Frankreich eingeführten Homoehe, die Abschaffung der Trennung von Staat und Kirche, die Kritik an den überzogenen Corona-Radikalmaßnahmen und dem verpflichtenden digitalen Corona-Impfpass, der als Zutrittskontrolle fungierte.
Kritik wird lauter
Doch wie bei der griechischen Sagengestalt Hydra scheint der französische Staat mit dem Kopfabschlagen Kritik und neue Strömungen nicht mehr unterbinden zu können. Also verbietet er immer schneller: Jetzt steht die Vereinigung “Academia Christiana” auf Darmanins Speisezettel. Am vergangenen Sonntag kündigte er an, den Verein „in den nächsten Wochen“ auflösen zu wollen.
Doch die wachsenden Verbotsorgien gehen nicht mehr glatt über die Bühne. Sogar Journalisten des Figaro, der wirtschaftsliberalen, wichtigsten meinungsbildenden Zeitung Frankreichs, drückten ihre Überraschung aus. Ein Journalist der katholischen Tageszeitung La Croix betonte die Gewaltlosigkeit der Vereinigung.
Sorge um Vereinigungs- und Meinungsfreiheit
„Ich finde keinen anderen Grund als die Politik“, sagt Politikwissenschaftler Arnaud Benedetti. Seiner Meinung nach suche Darmanin die Stimmen der Linken, um sein Einwanderungsgesetz zu verabschieden. Und das sei der Preis dafür, nämlich den politischen Mitbewerber auszuschalten.
Der Anwalt der Pariser Anwaltskammer verweist auf eine Entscheidung, die sich „extrem um Vereinigungs- und Meinungsfreiheit sorgt“. Der betroffene Verein will sich juristisch wehren.