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Eine Familie, die 2006 von Österreich für 30 Monate das Kinderbetreuungsgeld beantragt hatte, zog in die Schweiz. Die Krankenkasse wollte aber nur 24 Monate zahlen, weil die gesetzliche Karenzzeit nur zwei Jahre beträgt. Nach einem EuGH-Urteil musste sie dennoch für 30 Monate zahlen.

17. April 2023 / 16:07 Uhr

Skurrile EU-Regeln: Jahrelanger Streit um Anspruch auf Kindergeld – Teil 3

Unzensuriert hat unlängst über die Probleme rund um das Kinderbetreuungsgeld berichtet. Bis zu 30.000 Gerichtsverfahren gibt es jährlich. Nicht nur, dass auf nationaler Ebene zahlreiche Auflagen zu beachten sind, führt auch noch das Unionsrecht dazu, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Überprüfung des Anspruchs auf Familienleistungen zu einer Mammutaufgabe wird. Ohne diesen bürokratischen Aufwand wären viele Eltern, aber auch Behörden glücklicher.

Bei vielen Fällen musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) befragt werden. Und man glaubt teilweise nicht, was für Probleme dort behandelt werden müssen. Der nun von unzensuriert geschilderte Fall betrifft eine Frau, die sich in Österreich karenzieren gelassen hatte und dann während der Karenz in die Schweiz gezogen war.

Karenz von 24 auf 30 Monate verlängert

Im Fall C‑516/09 Borger ging es um die Österreicherin Tanja Borger, die wegen der Geburt ihres Sohnes am 7. Jänner 2006 mit ihrem Arbeitgeber eine Karenz von 24 Monaten vereinbart hatte (bis 7. Jänner 2008). Sie vereinbarte dann aber nachträglich eine Verlängerung der Karenz um weitere sechs Monate (bis 6. Juli 2008).

Anmerkung:

Die gesetzliche Karenzzeit in Österreich beträgt zwei Jahre. Aktuell kann das pauschale Kinderbetreuungsgeld 851 Tage lang bezogen werden. Nimmt auch der andere Elternteil das Geld in Anspruch, sind maximal 1.063 Tage möglich. Vor 2008 gab es ein anderes Modell, das den Bezug der Leistung bis zu 36 Monate (30+6) vorgesehen hatte. Nachdem der Fall bis ins Jahr 2006 zurückreicht, galt damals das ältere Modell.

Familie verließ Österreich

Im März 2007, also mindestens 14 Monate nach der Geburt des Kindes, zog Frau Borger in die Schweiz, wo ihr Ehemann seit Juni 2006 einer Erwerbstätigkeit nachging. Die Tiroler Gebietskrankenkassa zahlte ihr in den ersten 13 Monaten nach Ende des Mutterschutzes – somit vom 5. März 2006 bis 28. Februar 2007 – das Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe. Vom 1. März 2007 bis 6. Jänner 2008 (zehn Monate) bezahlte die Krankenkasse „nur“ eine Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld, da laut EU-Recht die Mutter seit ihrem Umzug in die Schweiz von diesem Staat Familienleistungen vorrangig zu erhalten hatte. Da die Schweiz aber keine solche Leistung hat, die mit dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbar ist, wurde Österreich nachrangig zuständig und zahlte weiterhin das Geld in voller Höhe.

Zahlung für halbes Jahr verweigert

Allerdings wollte die Krankenkasse für die restlichen sechs Monate (den Zeitraum 7. Jänner bis 6. Juli 2008) die Familienleistung verweigern. Das ist jener Zeitraum, der der Verlängerung der Karenz entspricht. Frau Borger habe die gesetzliche Karenzzeit von 24 Monaten ausgeschöpft. Die Verlängerung der Karenzzeit führe nicht dazu, dass Frau Borger die Arbeitnehmer-Eigenschaft behalten habe. Die Krankenkasse warf ihr auch vor, dass sie die Karenz nur deswegen verlängert habe, um das Kinderbetreuungsgeld zu kassieren, obwohl klar gewesen sei, dass sie nicht mehr in Österreich arbeiten werde und sogar in der Schweiz wohnhaft sei.

Geld musste trotzdem bezahlt werden

Wenngleich es nur eine gesetzliche Karenzzeit von 24 Monaten gibt, so besteht noch immer die Möglichkeit, sich Kindererziehungszeiten für die Pension in der Höhe von 48 Monaten pro Kind anrechnen zu lassen. Diese Teilversicherung in die Pension reiche aus, dass Frau Borger die Arbeitnehmereigenschaft nicht verloren habe und ihr Österreich deswegen Kinderbetreuungsgeld bezahlen musste, obwohl sie in der Schweiz wohnt. So entschied der Oberste Gerichtshof aufgrund der Antwort des EuGH.

Im Jänner 2008 begann der Streit und wurde erst nach drei Jahren, im April 2011, rechtskräftig beendet.

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